Backpacking in Äthiopien: 3 Dinge, die ich gelernt habe

Im Januar 2020 sind wir drei Wochen mit öffentlichen Bussen durch Äthiopien gereist. Nach mehreren Recherchereisen war das für mich die erste Backpacking-Tour in Subsahara-Afrika und eine sehr coole Erfahrung: Individuell herumzureisen geht in Äthiopien wirklich gut; es gibt einen gut ausgebauten Busverkehr und viele bezahlbare Unterkünfte.

Zwei Wochen haben wir im bergigen und trockenen Norden des Landes verbracht, unter anderem beim Wandern in den Simien Mountains und bei den Felsenkirchen in Lalibela. Auch die Tissisat-Wasserfälle bei Bahir Dar haben wir besucht. Darüber habe ich hier berichtet.

Die letzte Woche ging es Richtung Süden, die südliche Seenkette entlang bis nach Arba Minch. Essen, Landschaft und Leute waren top. Als Wirtschaftsjournalistin habe ich mich aber natürlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung im Land interessiert.

Wenig entwickelt, stark am Wachsen

Nach Angaben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist Äthiopien noch immer eines der am wenigsten entwickelten Länder weltweit. Das zeigt auch das globale Wohlstandsranking des Legatum Institute: Dort stand Äthiopien im Jahr 2019 auf Rang 150 von insgesamt 167 Staaten.

Allerdings hat Äthiopien von diesem niedrigen Niveau aus in den vergangenen Jahren eine beachtliche Entwicklung hingelegt – auch weil das Land als vergleichsweise politisch stabil gilt und damit für Investoren interessant ist. Die deutsche Außenwirtschaftsförderung GTAI geht davon aus, dass die Wirtschaft des Landes zuletzt um jährlich gut sieben Prozent gewachsen ist und dieser Aufschwung war auch vor Ort durchaus zu spüren. Hier lest ihr drei Dinge, die ich persönlich bei meiner Reise über Äthiopiens Wirtschaft gelernt habe:

1. China ist allgegenwärtig

Dass China stark in Afrika investiert, war mir zwar bekannt. Aber das vor Ort zu sehen, ist nochmal etwas anders. Äthiopien gehört zu den Ländern, in denen chinesische Firmen und Investoren am stärksten aktiv sind. Die neue Metro in Addis Abeba zum Beispiel ist von Chinesen gebaut. Die vielen Hochhäuser, die aus dem Boden schießen? Auch chinesisch. Und ratet mal, wer die meisten Straßen im Land asphaltiert hat… Genau.

Ein chinesisches Hochhaus in Äthiopien.

Die amerikanische Johns Hopkins Universität führt eine Statistik darüber, welches afrikanische Land sich in welcher Höhe bisher von China Geld geliehen hat. Bei Äthiopien waren das bis 2017 insgesamt knapp 13,8 Milliarden US-Dollar – mehr als bei fast jedem anderen Land auf dem Kontinent. Nur das Land Angola, über das ich hier auch schon berichtet habe, dort noch höhere Schulden. Diese Investitionen stehen immer wieder in der Kritik, wie unter anderem dieser Beitrag der Deutschen Welle zeigt: Die hohen Kredite würden Länder von China abhängig machen.

Vor Ort in Äthiopien habe ich erlebt, dass chinesische Baufirmen tatsächlich meist chinesische Arbeiter mitbringen, zum Beispiel um Straßen zu bauen. Diese leben oft in separierten “Arbeiter-Dörfern”, im Alltag sieht man sie also kaum. Ob alle Hochhäuser, die chinesische Firmen in Addis Abeba aufbauen, tatsächlich gebraucht werden, halte ich zudem für eher fraglich.

Dennoch sehen einige Menschen die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China durchaus als Chance. Eine junge Frau aus der gehobenen Mittelschicht zum Beispiel hat mir erzählt, dass sie Chinesisch studiert, da man sie so die besten Aussichten auf einen Job habe. Und auch, dass es in Äthiopien nun mehr asphaltierte Fernstraßen und in Addis Abeba eine Metro gibt, ist für viele Menschen eine Verbesserung. Die Frage, ob das chinesische Engagement Ländern wie Äthiopien nutzt oder schadet, ist also gar nicht so einfach zu beantworten. Mehr dazu lest ihr in diesem Blogbeitrag.

2. Die Landwirtschaft ist enorm wichtig

Verlässt man Addis Abeba mit dem Bus, fällt einem Eines sofort auf: überall gibt es Kühe. Anders als bei uns sind diese Kühe meistens braun und ziemlich knochig und stehen gerne mitten auf der Straße. Interessant fand ich persönlich auch, dass wir trotz der vielen Kühe nirgendwo im Land Milch bekommen haben. Das heißt: Anders als bei uns gibt es dort offenbar keine industrielle Milchproduktion, sondern die Milch wird genutzt, um neue Kälber großzuziehen.

Die Landwirtschaft ist laut GIZ der größte Sektor in Äthiopien: Rund drei von vier Menschen sind in dieser Branche beschäftigt, viele davon als Kleinstbauern. Insgesamt hat dieser Sektor in 2018 ein Drittel zur Wirtschaftsleistung von Äthiopien beigetragen. Das wichtigste Getreide, das dort angebaut wird, ist Teff – eine Hirsesorte, aus dem auch das Nationalgericht Injera hergestellt wird. Diese Sauerteigfladen bekommt man im Land wirklich überall rund um die Uhr.

Injera-Veggie-Platte: mein Lieblingsessen vor Ort (Foto: KS)

Ein wichtiges Ziel der Regierung ist seit 2015, die Industrialisierung der Landwirtschaft voranzutreiben. Denn obwohl der Sektor im Land eine so wichtige Rolle spielt, sind viele Betriebe nicht so produktiv und es gibt nach wie vor ungenutzte Flächen. Die Regierung muss daher noch immer viel Geld für Importe, zum Beispiel von Weizen, ausgeben. Die geplante Industrialisierung mache Fortschritte, berichtet die GTAI. Aber langsam: So fehle es der Branche aktuell noch an Organisation und guter Ausbildung.

3. Der Tourismus wächst kräftig

Anders als andere afrikanische Staaten kann Äthiopien nicht mit Löwen und Giraffen punkten; den typischen Safari-Tourismus gibt es kaum im Land. Dennoch hat der ostafrikanische Staat Urlaubern vieles zu bieten: eine reiche Kultur, beeindruckende Berge im Norden sowie Nilkrokodile und Hippos zum Beispiel.

Krokodile bei Arba Minch (Foto: KS)

Als Backpacker waren wir in Äthiopien zugegebenermaßen ziemliche Exoten. Noch trauen sich offenbar wenige Leute zu, das Land auf eigene Faust zu bereisen. Dennoch wird der Tourismus für das Land immer wichtiger, auch weil die Regierung diese Entwicklung aktiv fördert. Dazu hat sie schon vor Längerem einen Tourismus-Masterplan vorgelegt und der scheint zu wirken: 2018 wuchs die Reisebranche in Äthiopien um fast 50 Prozent und damit stärker als in jedem anderen Land weltweit.

Damit der Sektor weiter wächst, wurde erst kürzlich der internationale Flughafen in Addis Abeba stark ausgebaut. Und dass die nationale Fluggesellschaft Ethiopian Airlines als modern, zuverlässig und sicher gilt, hilft auch. Insgesamt trug der Tourismus 2018 daher schon zehn Prozent zur Wirtschaftsleistung im Land bei, wie Zahlen des World Travel & Tourism Council zeigen.

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man als Backpacker dennoch eher ein Exot im Land ist. Die allermeisten Touristen bereisen das Land mit einem privaten Guide bereisen und in geführten Reisegruppen – meist bestehend aus einem jungen, agilen äthiopischen Guide und seinen Ü60-Schützlingen. So oder so: Äthiopien zu bereisen ist eine spannende und bereichernde Erfahrung, die ich jedem nur empfehlen kann.


Ihr wollt mehr erfahren über Äthiopien? Hier geht’s zur Länderübersicht.

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