Ernährungssicherheit: Aquakultur in Afrika als Teil der Lösung

Ernährungssicherheit Aquakultur Afrika

Die Weltmeere sind überfischt. In westlichen Industrieländern essen die Menschen im Schnitt zu viel Fisch. Doch in afrikanischen Ländern ist die Situation anders: Dort braucht es mehr Fisch, um die Ernährungssituation zu verbessern. Branchenexperte Blessing Mapfumo sieht Aquakultur als Teil der Lösung und erklärt, wie der Ausbau der Branche weiter voranschreiten kann.

Blessing Mapfumo arbeitet seit mehr als 20 Jahren in der Aquakultur-Entwicklung in Afrika. Er begann seine Karriere in den späten 90er Jahren bei einem der damals größten privaten Aquakulturbetriebe in Afrika, Lake Harvest Aquaculture in Simbabwe. Später wurde er Projektleiter für Fischerei und Aquakultur bei der Welternährungsorganisation FAO in Südafrika. Heute ist er Vorstandsmitglied der afrikanischen Sektion der World Aquaculture Society (WAS), die bei der Entwicklungsagentur der Afrikanischen Union in Südafrika ansässig ist. Zu seinen Aufgaben zählt die Organisation der jährlichen Aquaculture Africa Conferences in ausgewählten afrikanischen Ländern.

Aquakultur in Afrika: stetes Wachstum, großes Potential

Wirtschaft in Afrika (WiA): Blessing, Du begleitest die Entwicklung der Aquakultur in Afrika seit mehr als 20 Jahren. Wie hat sich die Branche entwickelt?

Blessing: Der Sektor ist vor allem in den vergangenen zehn Jahren erheblich gewachsen. Er wächst von Jahr zu Jahr weiter, wenn auch in bescheidenem Maße. Nach Angaben der FAO liegt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in Afrika zwischen acht und zehn Prozent. Das spiegelt sich auch in den Mengen. Als ich um das Jahr 2000 herum in der Branche anfing, betrug die Gesamtproduktion auf dem Kontinent weniger als 500.000 Tonnen. Bis 2023 hat sich das Volumen auf knapp über 2,3 Millionen Tonnen vervierfacht.

WiA: Was treibt das Wachstum an?

Blessing: Früher gab es südlich der Sahara nur wenige sinnvolle Großinvestitionen in die Aquakultur. Mittlerweile gibt es einige davon. Manche Aquakultur-Standorte haben sogar eine Produktionskapazität von über 10 000 Tonnen Fisch pro Jahr, verbunden mit sehr großen Anlagen zur Herstellung von Futtermitteln und hochentwickelten Vertriebsketten für den Zuchtfisch. Gleichzeitig gibt es in fast allen afrikanischen Ländern kleine bis mittelgroße Fischfarmen, die ebenfalls florieren und bedeutende Mengen produzieren. Wir sehen, dass auch Regierungen zunehmend Investitionen in den Sektor fördern. Sie sehen die potenziellen Vorteile des Sektors in Anbetracht des sich rasch verändernden globalen Umfelds und der schnell wachsenden afrikanischen Bevölkerung.

Auch Simbabwe zählt zu den Ländern, die die Aquazucht ausbauen. Das Foto zeigt eine Fischfarm in der Stadt Mutare. © FAO/Zinyange Auntony

Aquakultur in Afrika: bisher hauptsächlich Süßwasseraquakultur

WiA: In welchen Ländern gibt es mittlerweile eine Produktion im industriellen Maßstab?

Blessing: Ägypten ist mit Abstand der größte Produzent in Afrika und produziert fast 70 Prozent des gesamten Zuchtfischs. Im Jahr 2022 züchtete das Land eine Rekordmenge von 1,6 Millionen Tonnen. Dahinter folgt Nigeria mit einem Anteil von fast 11 Prozent, danach kommen Ghana, Uganda und Sambia. Diese fünf Länder produzieren insgesamt rund 90 Prozent der Gesamtmenge in Afrika, primär in Süßwasser-Farmen. Es gibt außerdem eine Reihe weiterer Länder, die ihre Produktion zuletzt erheblich steigern konnten. Das sind zum Beispiel Tansania, Kenia und Ruanda in Ostafrika, aber auch Länder wie Lesotho, Tunesien, Algerien und Senegal. Insgesamt, so scheint ist, wird auch in Zukunft vor allem die Süßwasseraquakultur – insbesondere die Buntbarschzucht – florieren und das Wachstums der Branche in Afrika vorantreiben.

WiA: Was ist mit der marinen Aquakultur?

Blessing: Die marine Aquakultur im industriellen Maßstab findet in nur geringem Ausmaß statt und muss weiter erforscht werden. Farmen in Küstengebieten haben sich in einigen wenigen Ländern wie Südafrika, Madagaskar, Mauritius, Tunesien und natürlich in Ägypten, dem traditionellen Hauptproduzenten, besonders gut entwickelt. Die marine Aquakultur ist jedoch ein Bereich, auf den wir uns stärker konzentrieren müssen. Im Vergleich zu anderen Kontinenten ist Afrika im Rückstand.

Hürden für die marine Aquakultur in afrikanischen Ländern

WiA: Wie kommt das?

Blessing: Die marine Aquakultur ist in den meisten Ländern ein relativ neues und komplexes Geschäftsfeld. Die nationalen Behörden sind offenbar noch in der Lernphase und arbeiten daran, sinnvolle Zonen für die Küstenaquakultur auszuweisen. Außerdem scheint es an technischem Wissen über den Aufbau und den Betrieb von marinen Aquafarmen zu mangeln – anders als bei Süßwasserfarmen im Binnenland. Da ist die Erfahrung auf dem afrikanischen Kontinent vorhanden. Die Risiken der marinen Aquakultur werden als zu hoch eingeschätzt. Das macht es schwierig, private Investoren zu finden.

WiA: Welche Risiken werden wahrgenommen?

Blessing: Die Entwicklung einer marinen Aquakultur, vor allem bei Flossenfischen, erfordert komplexe und manchmal teure Technologien, um von Anfang an alles richtig zu machen. Außerdem müssen sich Aquakulturbetriebe mit komplizierten Fragen des Umweltmanagements, der Sicherheit und mit Herausforderungen in ihren Lieferketten beschäftigen – all das für einen bisher vergleichsweise wenig bedeutsamen Sektor. Es gibt aber Ausnahmen, wie zum Beispiel die in Ostafrika florierende Algenzucht. Weitere Erfolgsbeispiele sind die marine Fischzucht in Tunesien, die Muschelzucht in Südafrika und die Garnelenzucht in Madagaskar.

Fangfischerei ist an Afrikas Küsten weit verbreitet. Daher gibt es mancherorts Konkurrenz. (© FAO/Sitraka Andrinivo)

Wie die Hürden überwunden werden können

WiA: Der erste Schritt für mehr marine Fischfarmen besteht also darin, dass Staaten geeignete Küstenzonen ausweisen?

Blessing: Ja. Im Vergleich zu den frühen 20er Jahren sehen wir in vielen Ländern Verbesserungen. Die Entwicklung der „Blue Economy“ hat die Länder ermutigt, Sonderzonen für die Aquakultur auszuweisen. Auch das wachsende öffentliche Verständnis für die Branche hat geholfen. Die Ausweisung von Gebieten ist in der Regel ein komplexer Prozess, zumal viele der Gewässer traditionell andere Wassernutzungsfunktionen haben. Sie wurden zum Beispiel als Fischereigründe oder für touristische Zwecke genutzt. In den Sonderzonen braucht es dann außerdem eine gute Verbindungsinfrastruktur, um einen reibungslosen Betrieb der Fischzucht zu ermöglichen. Ich habe im Laufe der Jahre einige Länder beobachtet, die gute Fortschritte gemacht haben und fleißig um Investoren werben. Beispiele sind Ruanda, die Seychellen, Südafrika, Sambia und Ghana.

WiA: Was können die Staaten – neben der Ausweisung von geeigneten Zonen – noch tun, um ein günstiges politisches und rechtliches Umfeld für Investoren zu schaffen?

Blessing: Sie müssen in den Aquakulturzonen eine gute Basisinfrastruktur wie Straßennetze, Telekommunikations- und Internetverbindungen schaffen. Und natürlich braucht es für die Leitung der Aquakulturbetriebe gut ausgebildetes Personal. Außerdem muss die wirtschaftliche Lage der Länder insgesamt beachtet werden. Einige afrikanische Länder haben immer noch schwache Finanzsysteme, die für manche Investoren nicht sehr attraktiv sind. Staatlich geförderte Forschungs- und Demonstrationseinrichtungen sind ebenfalls wichtig. Und wir sollten die Transport- und Kühlkettenmanagementsysteme nicht außer Acht lassen. Die braucht es für den Transport der Erzeugnisse von den Fischfarmen zu den Endverbrauchern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass all diese teuren Investitionen ordnungsgemäß verwaltet werden und sicher sind.

Aquakultur in Afrika: Export oder lokale Märkte?

WiA: Ist der Export von Fisch in die EU ein Thema für die Länder?

Blessing: In einigen wenigen Ländern wird dies bereits praktiziert und bleibt eine Option. Tunesien zum Beispiel produziert Fische wie Wolfsbarsch und Meerbrasse, die teilweise für den europäischen Markt bestimmt sind. Garnelen aus Madagaskar werden traditionell in die EU exportiert. Und auch unverarbeitete Zuchtalgen aus Ostafrika, insbesondere aus Sansibar, finden ihren Weg in die EU. Ich habe außerdem von einigen wenigen Buntbarschfarmen gehört, die im Rahmen von Sonderregelungen in die EU exportieren. Allerdings sind die Kosten für die Verschiffung verarbeiteter Aquakulturprodukte in die EU extrem teuer geworden, sodass das für die meisten Unternehmen nicht mehr rentabel sind. Folglich ist der Großteil der Aquakulturproduktion in Afrika eindeutig für den heimischen und in einigen Fällen für den intraregionalen Markt bestimmt. Dabei werden Standards und der Zertifizierung immer wichtiger.

Mitarbeiter einer Fischzucht in Côte d’Ivoire mit Tilapia-Fischlarven. (© FAO/Sia Kambou)

WiA: Inwiefern?

Blessing:
Unter anderem durch zunehmende Bildung achten immer mehr afrikanische Verbraucher darauf, wo ihr Fisch herkommt. Die „Buy-Local“-Kampagnen, die es in mehreren Ländern gibt, haben dazu beigetragen, dass lokale Unternehmer in Aquakultur investieren und Fischimporte minimieren. Staatliche Normungsbüros und einige private Zertifizierungsstellen unterstützen diese Entwicklung. Es wird zunehmend darauf geachtet, rückverfolgbare Produkte mit sicheren Inhaltsstoffen nach guten Standards zu produzieren. Das macht Produkte natürlich teurer. Daher ist die Situation bei einigen Verbrauchersegmenten anders. In einigen Fällen wird nicht beachtet, woher der Fisch kommt, wie er produziert wurde, usw. Das ist aus der Sicht einer sehr hungrigen Bevölkerung verständlich! Deshalb gibt es immer noch riesige Mengen an Fischimporten nach Afrika. Es braucht ganzheitliche Lösungen.

Aquakultur als Bedrohung für Ökosysteme

WiA: In Deutschland wird die Aquakultur von Umweltschützern oft kritisiert, weil sie marine Ökosysteme stark schädigen kann.

Blessing: Natürlich gibt es, wie in jeder anderen Agrarindustrie auch, „schwarze Schafe“, vor allem in Bezug auf den Umweltschutz. Aber nicht alle Aquafarmen sind schlecht für die Umwelt. Meiner Meinung nach müssen die Regierungen klare, transparente Vorschriften entwickeln, die die Umweltverträglichkeit berücksichtigen, und Überwachungs- und Kontrollsysteme einrichten. Das ist Aufgabe der Umweltbehörden. Aber auch von Anfang an mit Umweltgruppen zusammenzuarbeiten, ist von Vorteil. Wir haben gesehen, dass einige Fischfarmen in Südafrika, Mauritius und Madagaskar in jüngster Zeit eine Art Umweltzertifizierung erhalten haben, weil sie das Richtige tun, auch im Hinblick auf die Umwelt.

Viele westliche Umwelt- und Tierschützer kritisieren die Massentierhaltung unter Wasser. (© FAO/Tony Karumba)

WiA: Welche Länder machen insgesamt die größten Fortschritte bei der Entwicklung der Aquakultur?

Blessing: In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich viel verändert. Fast alle afrikanischen Länder haben mittlerweile eine Politik, eine Strategie, einen rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Entwicklung und Förderung der Aquakultur. Einige sind noch weiter gegangen und haben klare Investitionspläne. Das hat zur Folge, dass man dort sinnvolle Dividenden sieht – wie zum Beispiel in Sambia, Ghana, Tansania, Südafrika, Tunesien, Algerien. Die Länder machen nicht alles perfekt. Aber zumindest können wir an diesen Beispielen sehen, dass ein gutes politisches, regulatorisches und unternehmerisches Umfeld die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Branche voranbringt. Es gibt andere Länder wie Ägypten, mit jahrzehntelanger Erfahrung und globaler Wettbewerbsfähigkeit, in denen die Branche fest verankert ist.

Aquakultur in Afrika: Investoren sind willkommen

WiA: Sie sagten, dass mehr Investoren benötigt werden. Wer könnte das sein?

Blessing: Jeder, der Geld hat und bereit ist, zu investieren. Das reicht von normalen Landwirten oder Viehzüchtern bis hin zu Aquakultur-Enthusiasten, die ihre Investitionen in die Aquakultur ausweiten möchten – solange sie über Land und Wasserflächen verfügen. Es können auch die Regierungen selbst sein, die spezielle Steuermittel für die Förderung der Aquakultur und die Entwicklung von unterstützenden öffentlichen Einrichtungen bereitstellen. Es können Entwicklungspartner oder internationale Finanzierungsinstitutionen wie die Weltbank oder die Afrikanische Entwicklungsbank sein, die Geld für den Aufbau der technischen Infrastruktur zur Verfügung stellen. Und natürlich wünschen wir uns private Investitionen, insbesondere in neue Fischfarmen und Aquakulturanlagen. Jede Form von Investition – sowohl Humankapital als auch Geld – nutzt.


Aquakultur in Afrika

Menschen in Europa essen im Schnitt mehr als doppelt so viel Fisch pro Jahr wie Menschen in Afrika. Mehr Grafiken und Fakten zur Entwicklung der Aquakultur, findet ihr hier.


WiA: Wie sehen Sie die Zukunft der Aquakultur in Afrika?

Blessing: Ich bin sehr optimistisch. Wir haben viel erreicht. Und die Entwicklungen in den einzelnen Ländern lassen vermuten, dass die positive Entwicklung weitergeht. Natürlich muss noch viel mehr getan werden, um traditionelle Herausforderungen zu meistern: zum Beispiel in den Bereichen Futtermittel, Saatgut, Kapital- und Marktzugang und Technologie. Dazu kommen komplexe neue Problemen wie der Klimawandel, Katastrophen, wirtschaftliche Schwankungen in den Ländern und globale geopolitische Probleme. Aber was können wir sonst tun, um die wachsende afrikanische Bevölkerung zu ernähren, während unsere traditionellen Fischgründe stagnieren oder schrumpfen? Ein wichtiger Investor sagte mir einmal, dass die Zukunft der weltweiten Aquakultur auf den Böden und Gewässern Afrikas liegt. Ich bin davon ebenfalls fest überzeugt. Der Kontinent bietet viele Wettbewerbsvorteile wie reichhaltige Binnenwasserressourcen und gute klimatische Bedingungen.

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