In Deutschland wird die Aquakultur von Umweltschützern sehr kritisch betrachtet. Weltweit ist sie aber auf dem Vormarsch: 2022 wurden erstmals mehr Fische in Farmen aufgezogen als im offenen Meer gefangen. Die meisten dieser Farmen gibt es in Asien. In Afrika wächst die Branche auch – und gilt als Hoffnung für mehr Ernährungssicherheit.
22,2 Kilogramm: So viel Fisch lag 2021 im Schnitt bei Europäern auf dem Teller. Das zeigen Zahlen der Welternährungsorganisation FAO. In Afrika war es deutlich weniger. Dort haben Menschen im selben Jahr nur 9,4 Kilogramm Fisch pro Kopf gegessen – die geringste Menge weltweit.
In Anbetracht der Überfischung der Meere sollte der hohe europäische Konsum kaum Vorbild sein. In einkommensstarken Ländern sei es sinnvoll, sich beim Konsum tierischer Lebensmittel einzuschränken, empfehlen Wissenschaftler der Universität Bonn. Auf afrikanische Länder lasse sich dieser Rat nicht übertragen: „Bei den ärmeren Bevölkerungsschichten auf dem afrikanischen Kontinent würde ein solcher Schritt die Mangelernährung bei Kindern weiter verschärfen“, sagt Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn.
Aquakultur in Afrika: Wichtig für mehr Ernährungssicherheit
Auf dem afrikanischen Kontinent spielt Fisch also eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit und perspektivisch wird die Menge an Fisch, die dort gebraucht wird, stark steigen. Das prognostiziert die FAO. Allein um die konsumierte Menge pro Kopf in Afrika auf heutigem Niveau zu halten, bräuchte es demnach wegen der wachsenden Bevölkerung eine um 74 Prozent höhere Fischproduktion bis 2050 als heute. Und damit Afrikaner 2050 genauso viel Fisch essen könnten wie heute schon die Menschen im globalen Durchschnitt, müsste die Produktion laut FAO sogar um 285 Prozent zunehmen.

Dass dieses Wachstum nicht im offenen Meer stattfinden kann, ist in Anbetracht der gefährdeten Fischbestände offensichtlich. Die FAO hält den Ausbau der Aquakultur in Afrika für sinnvoll. So nennt man die gezielte Aufzucht von Fischen, Muscheln und Algen in Aquafarmen. Weltweit betrachtet steigt der Anteil von Fischen aus Aquakultur stark an. Zahlen der FAO zeigen, dass der Fischfang im Meer seit Ende der 80 Jahre mengenmäßig weitgehend stagniert, die Aquakultur dagegen stark zunimmt.
Aquakultur in Afrika: Starkes Wachstum bei niedrigem Niveau
Bisher findet dieses Wachstum vor allem in Asien statt. Dort werden über 90 Prozent der weltweit aus Aquakultur stammenden Fischprodukte erzeugt. Vor allem China und danach mit deutlichem Abstand Indien produzieren viel. In Indonesien, Vietnam und Bangladesch sind Fischfarmen ebenfalls sehr verbreitet.

Der Anteil Afrikas an der weltweiten Aquakultur-Produktion ist dagegen bisher gering. Nach Angaben der FAO lag er 2022 bei gerade einmal knapp zwei Prozent. Allerdings ist die Branche in Afrika in den vergangenen Jahren stark gewachsen: seit dem Jahr 2000 um 455 Prozent, wenn auch von niedrigem Niveau aus, schreibt die FAO. Einige deutsche Umweltschutzorganisationen wie der BUND, das Bundesamt für Naturschutz und die Stiftung Meeresschutz sehen den weltweiten Zuwachs an Aquakultur kritisch. Sie kritisieren, dass Fischfarmen marinen Ökosystemen stark schaden können.
FAO: Ernährungssicherheit als oberste Priorität
Die FAO beurteilt das Wachstum der Aquakultur dagegen positiv. Sie hat im Blick, dass es weltweit immer mehr Menschen zu versorgen gibt und dass Fisch für die Ernährungssicherheit eine wichtige Rolle spielt. Und da es unter anderem in vielen afrikanischen Ländern noch immer viele Menschen gibt, die zu wenig zu essen haben, hat die Bekämpfung von Hunger für die Organisation oberste Priorität.
Führend bei der Produktion von Fisch in Aquakultur ist in Afrika bisher Ägypten. Das Land produziert 62 Prozent der Gesamtmenge auf dem Kontinent. Aquakultur habe in Ägypten eine lange Tradition und die Branche habe in der Vergangenheit viel Unterstützung von der ägyptischen Regierung bekommen, schreibt John Walakira von der National Agricultural Research Organization in Uganda in einer Studie. Herausforderungen habe das Land aktuell noch bei der Einhaltung von Gesundheits- und Sicherheitsstandards, um nach Europa exportieren zu können.
Organisationsgrad der Branche nimmt zu
Zweit- und drittgrößter Produzent von Fisch aus Aquakultur in Afrika sind nach Angaben der Branchenvereinigung World Aquaculture Society Nigeria und Uganda. Niedriger, aber stark gewachsen ist die Produktion in Sambia und in Tunesien. In Sambia zum Beispiel habe die Teich-Aquakultur zuletzt vielen Menschen vor Ort zu einem höheren Einkommen geholfen, schreibt die deutsche Entwicklungshilfeorganisation GIZ. Einen Eindruck der Aquazucht in Sambia bekommt ihr hier:
Dass die Branche sich dynamisch entwickelt, zeigt sich außerdem daran, dass es zunehmend regionale und panafrikanische Branchenevents gibt. 2021 fand in Ägypten zum ersten Mal die von der World Aquaculture Society organisierte Aquaculture Africa Conference (AFRAQ) statt. 2023 folgte eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe in Sambia, 2024 in Tunesien.
Aquakultur in Afrika: Welche Hürden bleiben beim Ausbau?
Dennoch gibt es bei der Weiterentwicklung der Branche auch Herausforderungen. Der Wissenschaftler John Walakira von der National Agricultural Research Organization nennt mehrere Hürden in seiner Studie. Er schreibt, um den afrikanischen Aquakultursektor von der Subsistenzwirtschaft auf ein kommerzielles Niveau zu bringen, brauche es mehr Technologie und mehr Forschung, eine bessere Fischfutterentwicklung vor Ort und besseren Marktzugang für die Betreiber von Fischfarmen.
Was konkret die Herausforderungen der Branche sind, habe ich in einem Interview mit Blessing Mapfumo von der World Aquacultural Society Africa ausführlicher besprochen. Das vollständige Interview mit ihm folgt in einem neuen Text auf meinem Blog in Kürze.
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1 Antwort zu “Afrikas Aquakultur in Zahlen: Branche auf Wachstumskurs”