Das afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA: Der Beginn einer neuen Ära

Freihandel in Afrika

Bisher handeln afrikanische Länder vergleichsweise wenig untereinander. Das soll sich durch das neue afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA ändern. Die wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kontinent könnte so deutlich gestärkt werden – vorausgesetzt, die Staaten setzen ihre Pläne in die Tat um.

Im Juni 2019 war es soweit: Damals brachte die Afrikanische Union das afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA auf den Weg – für den Kontinent ein Meilenstein. 54 von insgesamt 55 Ländern der Afrikanischen Union wollen sich durch AfCFTA zu einem gemeinsamen Binnenmarkt zusammenschließen. Nur Eritrea bleibt außen vor. Das Ziel ist ein gemeinsamer Handelsraum, in dem sich Menschen frei bewegen und Waren sowie Dienstleistungen ohne große Barrieren ausgetauscht werden können. Noch existieren diese neuen Handelsregeln nur auf dem Papier. Doch schon im Juli sollen sie in Kraft treten.

Für den afrikanischen Kontinent wäre dieser Schritt enorm wichtig, da sich vielen Ländern dadurch ganz neue Handelsmöglichkeit eröffnen. Bisher machen afrikanische Ländern im internationalen Vergleich nur sehr wenig miteinander Geschäfte, das zeigen Zahlen der Vereinten Nationen. Demnach gingen von den Waren und Dienstleistungen, die afrikanische Länder 2017 ins Ausland verkauften, nur knapp 17 Prozent an Nachbarstaaten. Der Rest nach Übersee. In Europa dagegen, zum Vergleich, blieben gut 68 Prozent der Exporte auf dem Kontinent – ein deutlicher höherer Anteil.

Das Abkommen ist auch politisch relevant

Das neue afrikanische Freihandelsabkommen soll dafür sorgen, dass künftig auch dort der Handel innerhalb des Kontinents zunimmt. Das hat für die Region nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Bedeutung. Ob die Wirtschaft in afrikanischen Ländern gut läuft, hängt nämlich bisher stark von der Konjunktur im Ausland ab. Das zeigt unter anderem dieser Blog-Artikel von mir. Würden die Länder künftig mehr miteinander handeln, würde das nicht nur ihre wirtschaftliche Entwicklung stärken. Gleichzeitig bekämen ihre Stimmen in der Verhandlung mit anderen Weltregionen neues Gewicht.

Dementsprechend ist das jetzt geplante Abkommen bei Weitem nicht der erste Anlauf dieser Art. Schon mehrmals haben sich afrikanische Staaten in unterschiedlichen Konstellationen um Freihandelsregeln bemüht. In der Praxis zeigt das aber meist wenig Wirkung. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Tripartite Free Trade Area: Diese sollte 26 Länder auf dem Kontinent verbinden und wurde 2015 unterzeichnet. Inzwischen aber sei der Prozess ins Stocken geraten, berichtet das African Business Magazine.

Politischer Wille scheint diesmal gegeben

Auch die Verhandlungen über AfCFTA laufen nun seit über 15 Jahren. Dieses Mal aber soll sich nach dem Willen vieler führender Politiker wirklich etwas verändern. Es sei „ein Ereignis, das Hoffnung gibt, ein geeintes und florierendes Afrika zu schaffen“, sagte zum Beispiel der Präsident von Niger, Mahmadou Issoufou, als das Abkommen im Juni vergangenen Jahres auf den Weg gebracht wurde. Und vor allem die Afrikanische Union setzt sich stark dafür ein, dass das gemeinsame Abkommen dieses Mal mehr wird als ein Papiertiger.

Und tatsächlich: Zumindest die Eckdaten klingen durchaus überzeugend. Rund 1,3 Milliarden Menschen sollen künftig in der neuen Handelszone vereint sein, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Die vereinte Wirtschaftsleistung des neuen afrikanischen Binnenmarkts läge bei 2,3 Billionen US-Dollar. Und Ökonomen des Internationalen Währungsfonds gehen in einer Beispielrechnung davon aus, dass durch den wachsenden Handel zwischen den beteiligten Ländern der Wohlstand auf dem Kontinent insgesamt deutlich zunehmen könnte. Wenn auch von Land zu Land unterschiedlich stark.

Die Zölle auf 90 Prozent der Produkte sollen wegfallen

Konkret geplant ist nach Angaben des BMWi , dass durch das Abkommen die Zölle für 90 Prozent der Produkte auf dem Kontinent gestrichen werden. Die verbleibenden Zölle sollen dann innerhalb von zehn Jahren abgeschafft werden bzw. innerhalb von 13 Jahren in bis dato noch sehr wenig entwickelten Ländern. Nur wenige Produkte sollen dauerhaft von der Zollfreiheit ausgenommen bleiben. Zudem wollen die Staaten auch gemeinsame Regeln schaffen für das Transportwesen, den Telekommunikationsbereich, Finanzdienstleistungen und unternehmensbezogene Dienstleistungen wie Beratungsdienste.

Eine Herausforderung dabei ist, dass viele Länder durchaus unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen und daher auch unterschiedlich stark von einem gemeinsamen Binnenmarkt profitieren werden. Für das African Business Magazine zum Beispiel steht fest, dass zu den großen Gewinnern Südafrika zählen wird. Das Land hat bereits einige starke Industrien aufgebaut, etwa im Telekommunikationsbereich, und kann diese Stärken bei einer Öffnung der Märkte weiter ausbauen. Andere Länder, die bisher kaum industrialisiert sind, haben dagegen die Sorge, dass ihre Wirtschaft durch die Freihandelszone noch mehr unter Druck gerät.

Zölle sind nicht das einzige Problem

Dazu kommt: Ob der Freihandel in der Praxis funktioniert, bleibt abzuwarten. Denn die Geschäfte zwischen afrikanischen Ländern hemmen nicht nur Zölle, sondern auch Bürokratie. Im Frühjahr 2019 zum Beispiel sorgten Bilder von der Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Sambia für Aufsehen. Dort stauten sich laut Medienberichten LKW teils bis zu 70 Kilometer, weil die Grenzabfertigung so lange dauerte. Und das, obwohl beide Länder zum südost-afrikanischen Handelsbündnis Comesa gehören. Dazu kommt, dass vielerorts die Infrastruktur schlecht ausgebaut ist: In Äthiopien zum Beispiel bin ich einmal bei LKW-Fahrern mitgefahren, die tagelang unterwegs waren, allein schon um Ware vom Süden des Landes in den Norden zu bringen.

Trotz dieser Hürden findet das geplante Abkommen allerdings weltweit Beachtung. Auch, weil sich auch ausländische Unternehmen dadurch bessere Chancen versprechen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie zum Beispiel geht davon aus, dass eine „panafrikanische Freihandelszone […] langfristig Investitionen und Handel deutscher Unternehmen mit den über 50 Ländern Afrikas [vereinfacht].“ Und die deutschen Außenwirtschaftsförderung GTAI schreibt, dass vor allem die Automobilindustrie stark von dem neuen Wirtschaftsverbund profitieren könnte: „Deutsche Autobauer dürften […] nicht nur mehr auf dem Kontinent absetzen. Sie und Kfz-Teilehersteller könnten dort auch mehr produzieren (lassen), und deutsche Maschinenbauer würden neue Fabriken ausrüsten.“

Ob deutsche Firmen profitieren, ist ungewiss

Deutsche Firmen, die nicht vor Ort in afrikanischen Ländern produzieren, dürften dagegen zunächst nicht von AfCFTA profitieren – das hat das Bundeswirtschaftsministerium klar gestellt: Denn die afrikanische Zollunion soll zunächst nur für den Handel zwischen afrikanischen Staaten gelten. Beim Handel mit der EU und mit anderen Kontinenten gelten nach wie vor unterschiedliche Zollbestimmungen für die jeweiligen Staaten. Ein steigender innerafrikanische Warenhandel könne daher sogar dazu führen, „dass Importe aus der EU ersetzt werden“, warnt das BMWi.

So oder so: Wichtig für den Kontinent ist nun vor allem, dass das geplante Abkommen zeitnah umgesetzt wird. Dass der Corona-Ausbruch das öffentliche Leben in vielen afrikanischen Ländern stillstehen lässt, sehen manche Beobachter dabei als Problem. Das Online-Magazin Euractiv zum Beispiel berichtet, dass der geplante Starttermin am 1. Juli womöglich nicht eingehalten werden kann. Ibrahim Assane Mayaki, ehemaliger Premierminister von Niger und heute bei der Afrikanischen Union aktiv, schreibt dagegen bei Project Syndicate: Gerade die Corona-Pandemie mache es umso wichtiger, die afrikanische Wirtschaft vom Rest der Welt unabhängiger zu machen. Das lange geplante Freihandelsabkommen sollte aus seiner Sicht daher nicht trotz Corona Priorität haben – sondern wegen.

Aktualisierung (03.07.2020)

Die afrikanischen Länder haben den Start der afrikanischen Freihandelszone wegen der Corona-Krise vom 1. Juli 2020 auf den 1. Januar 2021 verschoben. Ich bleibe natürlich dran und berichte weiter, sobald es Neues gibt.

Aktualisierung (30.12.2020)

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