Zum Januar 2021 tritt eine neue Freihandelszone in Afrika in Kraft. Viele Unternehmen und Politiker auf der ganzen Welt haben lange auf dieses Ereignis gewartet. Denn das Abkommen mit dem komplizierten Kürzel AfCFTA ist für den Kontinent ein Meilenstein.
Ihr habt genug von schlechten Nachrichten aus dem Jahr 2020? Kein Problem. Denn das neue Jahr beginnt mit einer guten: Zum 1. Januar tritt eine neue Freihandelszone in Afrika in Kraft. Damit gibt es auf dem Kontinent jetzt einen Binnenmarkt mit rund 1,3 Milliarden Menschen – ein Ereignis von enormer Bedeutung.
Über die Chancen und Risiken des Abkommens habe ich im Frühjahr schon einmal berichtet. Meinen damaligen Artikel könnt ihr hier nachlesen. Zum Start der Freihandelszone in Afrika habe ich die wichtigsten Fragen und Antworten noch einmal zusammengefasst. Los geht’s!
Eine Freihandelszone in Afrika: Warum ist das wichtig?
Freihandel ist auf den ersten Blick ein ziemlich abstrakter Begriff. Auch weil freier Handel für uns in Europa ganz normal ist. Ob wir ein Produkt aus Frankreich oder Deutschland kaufen, macht für uns preislich in der Regel keinen Unterschied. Denn innerhalb der EU gibt es keine Zölle auf europäische Produkte. In Afrika ist das anders. Dort ist es für die Menschen bisher sehr teuer, Waren aus Nachbarstaaten einzukaufen. Und gleichzeitig gibt es für Unternehmen, die Waren ins innerafrikanische Ausland verschicken wollen, jede Menge unnötige Bürokratie.
Deswegen ist der innerafrikanische Handel bisher kaum ausgeprägt. Die unten stehende Abbildung zeigt, wie viel Länder in verschiedenen Weltregionen miteinander handeln – im Vergleich zu ihrem Gesamthandelsvolumen. Dabei wird deutlich: Afrikanische Staaten handeln deutlich weniger untereinander als andere Staatengemeinschaften. Das hat den Nachteil, dass die wirtschaftliche Situation auf dem Kontinent immer davon abhängt, ob es im Rest der Welt genug Nachfrage gibt.
Die panafrikanische Handelszone soll daher dazu beitragen, dass Zölle und Bürokratie in Afrika abgebaut werden. Dadurch haben es Unternehmen dann künftig leichter, Waren in direkte Nachbarstaaten zu verschicken. Sie können also mehr verkaufen, mehr einnehmen – und diese Einnahmen wiederum in neue Produkte investieren. Viele Experten hoffen, dass afrikanische Unternehmen dadurch im internationalen Vergleich größer und wettbewerbsfähiger werden.
Kann die Freihandelszone in Afrika helfen, die Coronakrise zu überwinden?
Ja, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. In Afrika gibt es in der Coronapandemie zwar vergleichsweise wenige Todesfälle. Wirtschaftlich ist der Kontinent von den Folgen der Krise aber stark betroffen. Viele afrikanische Länder sind bisher stark vom Rohstoffexport abhängig, vor allem von Ölexporten. Weil derzeit weltweit weniger produziert wird, ist der globale Ölpreis eingebrochen. Das heißt: Ländern wie Angola oder Nigeria fehlen nun in großem Umfang Einnahmen.
Welche wirtschaftlichen Folgen die Coronakrise für Afrika hat, habe ich in diesem Artikel beleuchtet.
Viele Experten hoffen, dass durch die neue Freihandelszone in Afrika die Abhängigkeit von Rohstoffexporten zurückgeht. Denn wenn die Länder stärker untereinander handeln, wird es für sie einfacher, neue Industrieunternehmen aufzubauen. Wie die Deutsche Welle berichtet, wurde dafür in der Coronakrise schon ein guter Grundstein gelegt. So haben Unternehmen in Kenia Schutzkleidung hergestellt und in Südafrika Beatmungsgeräte. Mit diesen Produkten den afrikanischen Kontinent zu erobern, braucht natürlich Zeit. Aber zumindest mittelfristig könnten die Folgen der Coronakrise durch die neue Freihandelszone in Afrika abgefedert werden.
Welche Länder profitieren am meisten von dem Abkommen?
Freihandel ist insgesamt eine gute Sache. Aber wie bei allem im Leben gibt es auch bei der neuen Freihandelszone in Afrika Gewinner und Verlierer. Profitieren werden vor allem die Länder auf dem Kontinent, die wirtschaftlich eh schon relativ gut aufgestellt sind. Dazu zählen Staaten wie Südafrika, Kenia und Ruanda. Sie können ihre Vormachtstellung auf dem neuen Binnenmarkt weiter ausbauen. In Ruanda zum Beispiel werden seit einiger Zeit Smartphones entwickelt. Das Unternehmen Mara Phone kann diese nun einfacher in ganz Afrika vermarkten.
Umgekehrt könnte die neue Freihandelszone aber dazu führen, dass es für andere afrikanische Länder noch schwieriger wird, eigene Industrien aufzubauen. Zu den Verlierern der Freihandelszone in Afrika könnten zum Beispiel weniger entwickelte Staaten wie die Republik Kongo oder der Tschad zählen, schreibt der amerikanische Thinktank Atlantic Council. Und das Weltwirtschaftsforum weißt darauf hin, dass in keiner anderen kontinentalen Freihandelszone Länder mit so unterschiedlichen Volkseinkommen vereint sind. Verteilungskämpfe zwischen einzelnen Staaten gibt es auch in der EU. Der Freihandelszone in Afrika wird wohl ähnliches bevor stehen.
Welche Hürden gibt es bei der Freihandelszone in Afrika?
Damit der Freihandel auf dem afrikanischen Kontinent funktioniert, ist es wichtig, dass die Behörden vor Ort gut zusammenarbeiten. Darauf hat jüngst meine Kollegin Jule Reimer Deutschlandfunk hingewiesen. Dass es auf dem Papier weniger Zölle gibt, ist also noch keine Garantie dafür, dass die Staus an afrikanischen Grenzen weniger werden. Außerdem scheitert der innerafrikanische Handel oft an ganz praktischen Problemen. Zum Beispiel an schlechten Straßenverbindungen zwischen Ländern. Damit der Freihandel in Schwung kommt, muss also auch die Infrastruktur vor Ort besser werden.
Das Weltwirtschaftsforum benennt außerdem weitere Risiken. So gebe es die Gefahr, dass sich Unternehmen künftig vor allem dort auf dem Kontinent ansiedeln, wo es besonders günstige Löhne und niedrige Umweltstandards gibt. Das passiert ja durchaus auch in der EU. “Ohne eine umfassende Politikgestaltung […] könnte sich die AfCFTA eher als eine Kraft der wirtschaftlichen Divergenz erweisen, denn als eine Kraft des Guten”, warnen die Experten. Mit anderen Worten: Wichtig wären verbindliche Umweltstandards auf dem Kontinent.
Welche Chancen gibt es durch die Freihandelszone in Afrika für deutsche Unternehmen?
Das Abkommen bietet für deutsche Unternehmen viele Vorteile. Bisher ist der afrikanische Markt sehr zersplittert. Das macht es für Unternehmen schwierig und teuer, sich vor Ort zu Recht zu finden. Schließlich müssen sie sich bisher in jedes Land neu einarbeiten. „Die panafrikanische Freihandelszone ist ein positives Signal für die Wirtschaft“, sagt daher Joachim Lang vom Bundesverband der Deutschen Industrie. Sie erleichtere langfristig die Investitionen und den Handel deutscher Unternehmen mit den über 50 afrikanischen Ländern.
Die deutsche Automobilindustrie hat vor wenigen Tagen schon Fakten geschaffen. Der Verband der Deutschen Automobilindustrie VDA gab eine Kooperation mit dem Afrikanischen Verband der Automobilhersteller bekannt. Das Ziel der Kooperation sei, “die Bedingungen für eine aufstrebende Automobilindustrie auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern”, schrieb der VDA in einer E-Mail an Journalisten. Für die deutsche Automobilindustrie biete Afrika ein hohes Potenzial, sowohl als Markt als auch als Produktionsstandort.
Südafrika und Marokko gelten derzeit als führende Automobilstandorte in Afrika. Mit welchen Vorteilen Marokko punktet, lest ihr hier.
Mehr erfahren?
- Wichtige Daten und Fakten zur panafrikanischen Freihandelszone findet ihr beim Bundeswirtschaftsministerium.
- Kurz vor dem Start der Freihandelszone habe ich im Deutschlandfunk mit meiner Kollegin Jule Reimer darüber gesprochen, wie wichtig das Abkommen für Afrika ist.
- Warum die Coronapandemie das Abkommen AfCFTA noch wichtiger gemacht hat, berichtet die Deutsche Welle.
- Wie die Weltbank die Folgen des Abkommens für den Kontinent einschätzt, lest ihr hier.
3 Antworten zu “Freihandelszone in Afrika: Ticket ins Glück?”