Geflügelzucht in Nigeria: Smarte Technik für Kleinbauern

Landwirtschaft Afrika Hühner

Der Klimawandel erschwert die Geflügelzucht in Nigeria, denn viele Tiere leiden unter den steigenden Temperaturen im Land. Sie legen weniger Eier oder sterben sogar. Das nigerianische Start-up Farmspeak Technology will das mithilfe seiner Technologie ändern: Es will mit neuer Hard- und Software das Tierwohl verbessern und die Erträge der Landwirte erhöhen.

Peter Okonmah ist auf einer kleinen Farm im Norden Nigerias aufgewachsen. Seine Eltern hielten Hühner. Sie kauften Küken, mästeten sie und verkauften nach etwa acht Wochen das Fleisch auf lokalen Märkten. Dafür war die gesamte Familie im Einsatz, auch nachts.

Peter Okonmah und seine beiden Geschwister mussten in kalten Nächten die Temperatur im Gehege kontrollieren und notfalls nachheizen. Dafür wechselten sie sich schichtweise ab. „Ich fand das als Kind sehr anstrengend”, sagt er. “Ich konnte mich im Unterricht schlechter konzentrieren, wenn ich die ganze Nacht aufbleiben musste, um die Bedingungen im Hühnerstall zu überwachen. Daher habe ich mich gefragt, ob man das nicht automatisieren kann.” Daraus wurde eine Geschäftsidee und Gründung: sein Start-up Farmspeak Technology.

Geflügelzucht in Nigeria: ein gigantisches Geschäft

Das Unternehmen verkauft Hard- und Software an Geflügelzüchter, die den Farmern die Arbeit erleichtern sollen. Kernprodukt ist ein technisches System aus Kameras und Sensoren, mit dem Landwirte die Haltungsbedingungen in ihren Ställen automatisiert überwachen können. Darüber hinaus hat das Start-up eine Software entwickelt, die Geflügelzüchter fürs Farmmanagement einsetzen können: unter anderem um Umsätze besser im Blick zu behalten und zu dokumentieren, wie schnell ihre Tiere an Gewicht zunehmen.

Die Technologie sei modular aufgebaut und vor allem für kleine Züchter geeignet, sagt Peter Okonmah. Davon gibt es nämlich sehr viele im Land. Die australische Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) schreibt, dass Nigeria die größte jährliche Eierproduktion
und die zweitgrößte Hühnerpopulation in ganz Afrika hat. Insgesamt leben dort 85 Millionen Menschen von der Geflügelzucht. „Mein Ziel ist es, für diese Züchter Technologien zu entwickeln, um dem Klimawandel einen Schritt voraus zu sein, sodass auch Familien wie meine es sich leisten können“, sagt der Gründer.

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Peter Okonmah präsentiert seine Idee bei einem Event der deutschen GIZ 2023 in Nairobi (Foto: Peter Okonmah via LinkedIn).

Geflügelzucht in Nigeria: typische Herausforderungen

Dazu muss man wissen: Nigerias Geflügelwirtschaft ist zwar sehr groß. Aber viele der kleinen Zuchtbetriebe gelten als wenig produktiv. Sie erwirtschaften also im Vergleich zu ihren Kosten geringe Erträge. Das ist schlecht für die Züchtern, deren Einkommen oft stark schwankt. Und es hat gesellschaftliche Folgen: Obwohl in der Geflügelzucht in Nigeria so viele Menschen arbeiten, können nur 30 Prozent des dort verspeisten Hühnerfleisches und der Eier lokal produziert werden, schreibt CSIRO.

Aus Sicht von Peter Okonmah liegt das auch daran, dass Züchter mehr Wissen über die Tierhaltung bräuchten. “Wir haben zum Beispiel früher den Hühnerstall nachts sehr stark mit Holzkohle aufgeheizt, damit den jungen Küken nicht kalt wird”, erzählt er. Doch nicht nur Kälte, sondern auch zu viel Hitze sei schlecht die Tiere – vor allem, da der Klimawandel die Ställe tagsüber zusätzlich aufheize. Die übermäßige Hitze führe dazu, dass Küken sterben und ältere Tiere weniger produktiv seien. Sie legten weniger Eier, hätten weniger Appetit und nähmen weniger an Gewicht zu. “Diese Auswirkungen sieht man nicht direkt, sondern erst nach ein paar Wochen. Sie fallen daher nur auf, wenn man ein sehr gutes Farmmanagementsystem hat”, sagt Peter Okonmah.

Der Klimawandel erschwert die Arbeit zusätzlich

Das zweite Problem aus seiner Sicht: Ohne technologische Unterstützung und eine gute Dokumentation können Landwirte gar nicht umfassend überblicken, wie es ihren vielen Hühner geht und wie sich das mit den Bedingungen im Gehege verändert. Er hat daher mit seinem Start-up ein Set aus Kameras und Sensoren entwickelt, mit dem Züchter fünf Parameter kontrollieren können: Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftqualität sowie Wasserstand und Wassertemperatur in den Trinkbehältern. Ist zum Beispiel die Temperatur zu hoch oder ein Parameter auffällig, bekommen die Landwirte eine Nachricht per App, E-Mail oder SMS in Echtzeit.

So sehen sie aus: Die smarten Sensoren fürs Gehege (Foto: Farmspeak/Medium).

Diese Art der technologischen Unterstützung werde für Geflügelzüchter gerade in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger, schreiben auch die Wissenschaftler Adegboyega Oyedijo und Temidayo Akenroye in einem Blogbeitrag für das Weltwirtschaftsforum. Nigeria gilt als besonders stark vom Klimawandel betroffen. Das System von Farmspeak soll Züchtern daher auch helfen, ihre Belüftungssysteme in den Ställen wie Ventilatoren zu optimieren, effizient mit dem vorhandenen Wasser umzugehen und für genug Schatten zu sorgen.

Farmspeak aus Nigeria: Die Gründungsgeschichte

Finanziert hat Peter Okonmah seine Gründung aus eigenen Ersparnissen und mithilfe seines Erfindungsreichtums. Der studierte Agrar- und Umweltingenieur hat vor gut zehn Jahren, noch während seiner Ausbildung, einen Inkubator zum Ausbrüten von Geflügeleiern entwickelt. Diesen habe er damals für rund 150 000 Naira gebaut und für rund 400 000 Naira verkauft, erzählt er. Das Geld diente ihm unter anderem als Startkapital für die Gründung von Farmspeak.

Mittlerweile beschäftigen er und seine Co-Gründerin Adaeze Ruth Akpagbula eigenen Angaben zufolge zwölf Mitarbeitende, die Hälfte davon in Teilzeit. Darüber hinaus sind für das Unternehmen landesweit rund 20 freie Mitarbeiter auf Kommissionsbasis im Einsatz. Sie bewerben die Produkte von Farmspeak in den lokalen Communities.

(Foto: Farmspeak)

Okonmahs oberstes Ziel: Die Kükensterblichkeit senken

Denn der Vertrieb von Hard- und Software an Farmer sei ein langwieriger Prozess, erzählt der Gründer. Viele Kleinbauern hätten immer noch kein Vertrauen in die Möglichkeiten der Technologie und verließen sich lieber auf ihre traditionellen Anbaumethoden. „Deshalb mussten wir anfangs viel Überzeugungsarbeit leisten, indem wir die Geflügelzüchter schulten“, sagt er. Jetzt habe sein Start-up Daten, die beweisen, dass seine Technologie funktioniert. „Das macht es viel einfacher.“

Konkret verspricht das Unternehmen, dass die Kükensterblichkeit in Betrieben mithilfe der Technologie von bis zu 40 auf unter fünf Prozent sinken kann. Für Geflügelzüchter bedeutet das: Sie haben deutlich weniger Ausfallkosten und können am Ende des Monats mehr Einnahmen und Gewinn verbuchen. Davor müssen sie aber natürlich erst einmal die Investitionskosten für die Hard- und Software des Start-ups aufbringen.


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Geflügelzucht in Nigeria: KI für noch bessere Ergebnisse

Farmspeak habe bisher über 5000 Kleinbauern in Nigeria mit seinen Produkten und mit Schulungen erreicht, sagt Okonmah. Sein Ziel ist es, das Geschäft weiter auszubauen, in Nigeria und perspektivisch auch international. Im Frühjahr war er dazu über ein StipendiatInnenprogramms für Start-ups aus Nigeria und Nordrhein-Westfalen in Deutschland zu Gast, um erste Geschäftskontakte vor Ort zu knüpfen.

Der Unternehmer will seine Produkte außerdem technisch weiterentwickeln und Züchtern bald individuelle Handlungsempfehlungen per KI geben können. Zum Beispiel, wie sie je nach Wetter die Temperatur in ihren Gehegen optimal steuern. “Predictive analytics” nennt sich das im Fachjargon. “Wir sammeln aktuell Daten, um entsprechende KI-Modelle trainieren zu können”, sagt Peter Okonmah. KI statt Nachtschichten im Hühnerschichten: Das zeigt, wie viel sich in den vergangenen Jahren verändert hat in der Geflügelzucht in Nigeria.

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