Deutschlands Afrikapolitik im Wandel: vom Geberland zum Partner

Deutschlands Afrikapolitik wandelt sich. Lange hat die Bundesregierung die Beziehungen zu afrikanischen Ländern vernachlässigt. Nun gilt der Kontinent plötzlich als Region der Chancen. Allerdings: Vor allem auf dem Papier. Noch tut sich die Politik nämlich schwer damit, alte Denkmuster abzulegen.

Ob Straßen, Häfen oder Militärstützpunkte: Darüber, dass China sich in afrikanischen Ländern stark engagiert, habe ich bereits geschrieben. Zudem bekommt die Afrikanische Union aber auch zunehmend Avancen aus anderen Teilen der Welt: Russland zum Beispiel hat seine Direktinvestitionen vor Ort ebenfalls kräftig gesteigert, wie ein Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags zeigt. Und auch Indien wittert Chancen, wie Volkswirte der Deutschen Bank feststellen.

Dass das Interesse an einer Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern weltweit wächst, hat mehrere Gründe. Die meisten potentiellen Partner haben einerseits den Zugang zu Rohstoffen im Blick. Und sie hoffen, andererseits, in den aufstrebenden Märkten frühzeitig Fuß fassen zu können. Sechs der zehn am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit befänden sich in Afrika, schreibt die Agentur für Wirtschaft & Entwicklung. Die Bevölkerung ist jung, die Mittelstand wächst und damit auch der Konsum. So zumindest die Prognose vor Corona.

Chancenkontinent statt Problemfall?

Diese Erkenntnis hat inzwischen auch die Bundesregierung dazu gebracht, bei ihrer Afrikapolitik umzusteuern. Lange Zeit stand ein gutes Verhältnis zu afrikanischen Ländern nicht gerade weit oben auf der Berliner Agenda; die Beziehungen beschränkte sich im Wesentlichen auf die typischen Geber-Nehmer-Rollen der Entwicklungszusammenarbeit. Das aber hat sich einigen Jahren verändert: Plötzlich gilt Afrika nicht mehr als Problemfall, sondern als Chancenkontinent. Zumindest verbal also wird der Kontinent stark umworben. Doch gilt das auch für die Realpolitik?

Reine Entwicklungszusammenarbeit? Das reicht nicht mehr. (Foto: KS)

Zurückdatieren lässt sich das gestiegene Interesse der Bundesregierung auf das Jahr 2014. Damals veröffentlichte die Regierung ein neues Afrika-Konzept; 2017 legte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung nach mit dem sogenannten Marshall-Plan mit Afrika. Darin stand der Gedanke im Fokus, dass Deutschland seinen Blick auf den Kontinent radikal verändern müsse. “Wir […] müssen begreifen, dass Afrika nicht der Kontinent billiger Ressourcen ist, sondern die Menschen dort Infrastruktur und Zukunft benötigen”, so Bundesentwicklungsminister Gerd Müller.

Auch die EU denkt um

Im gleichen Jahr hat die Bundesregierung das Thema zudem auch international auf die Agenda gesetzt, im Rahmen ihrer G20-Präsidentschaft. Damals wurde die Initiative Compact with Africa gestartet, die nach Angaben der Bundesregierung gemeinsam mit afrikanischen Ländern “die Bedingungen für private Investitionen und Beschäftigungsmöglichkeiten” vor Ort verbessern soll. Deutschland hat im Rahmen dieser Initiative einen sogenannten Entwicklungsinvestitionsfonds aufgelegt. Damit werden sowohl afrikanische Kleinunternehmen unterstützt, als auch deutsche und europäische Unternehmen, die in bestimmten afrikanischen Staaten investieren wollen.

Vielerorts auf dem Kontinent gibt es erfolgreiche Handwerksunternehmen. Eines davon habe ich in Nigeria besucht. (Foto: KS)

Parallel zu den deutschen Bestrebungen hat die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern zudem in der EU an Bedeutung gewonnen. Schon in ihrer ersten Woche als neue Chefin der EU-Kommission reiste Ursula von der Leyen Ende 2019 nach Äthiopien, unter anderem um ihre Kollegen der Afrikanischen Union zu treffen. Ein Besuch mit Symbolkraft. Anfang März stellte die EU-Kommission dann ihre neue Afrika-Strategie vor. Ziel ist eine engere Zusammenarbeit in fünf Bereichen, heißt es darin: “grüne Wende, digitaler Wandel, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung, Frieden und Governance, Migration und Mobilität”.

Kritiker: Echtes Umdenken bleibt aus

So weit, so ambitioniert. Kritiker allerdings sagen: Trotz aller Beteuerungen des Westens könne von einer echten Partnerschaft auf Augenhöhe im Umgang mit dem Nachbarkontinent noch keine Rede sein. So schreibt das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik: “De facto geht es in Brüssel […] nach wie vor darum, was sich in Afrika ändern muss und wie die EU diese Veränderungen unterstützen kann. Dass sich auch in der EU einiges ändern muss und unser Gesellschaftsmodell durch Digitalisierung, die notwendige Transformation zur Nachhaltigkeit und alternde Gesellschaften grundlegend in Frage gestellt ist, kommt bislang nicht zur Sprache.”

Und der Ökonom Robert Kappel, der sich bereits seit Jahren mit der Afrikapolitik des Westens beschäftigt, kommt für die deutsche Afrikapolitik zu einem ähnlich Schluss. Die von den Ministerien vorgelegten Konzepte seien in sich widersprüchlich, schreibt er. Daher habe Deutschland in den vergangenen Jahren trotz aller Bemühungen sogar an Einfluss verloren. Bisher gehen zum Beispiel nach wie vor nur zwei Prozent aller deutschen Exporte nach Afrika – weniger noch als im Jahr 1990.

Mehr Anerkennung gefragt

Konkret kritisiert der Ökonom, dass die deutsche Bundesregierung zu wenig im Blick habe, wie unterschiedlich sich verschiedene afrikanische Länder entwickelten. Zudem gäbe es einen Clash zwischen den ambitionierten Plänen der Bundesregierung, die Privatinvestitionen vor Ort in Afrika stärken will, und der Realität: nämlich der Skepsis vieler deutscher Unternehmen. Kappels Tipp: Die Bundesregierung solle weniger Pläne für Afrika schmieden, sondern stärker mit den einzelnen Ländern ins Gespräch kommen. “Wohlmeinende Ratschläge, was alles gut für Afrika sei, sind nicht gern gehört.”

Das zeigt: Dass sich die deutsche Afrikapolitik ändern muss – diese Notwendigkeit wurde in Berlin durchaus verstanden. Und auch der Wille, an besseren Beziehungen zu arbeiten, scheint da. Noch aber fällt es der Politik offenbar schwer, anzuerkennen, dass afrikanische Länder in aller Regel selbst am besten wissen, was sie brauchen. Auch in dieser Hinsicht sollte schnell nachgebessert werden. Denn: Wenn Deutschland und die EU das nicht respektieren, macht das andere Partner wie China & Co. umso attraktiver.

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