Stereotype über Afrika: weit verbreitet, aber falsch

Ein schöner Kontinent, aber arm und gefährlich: Das sind typische Stereotype über Afrika. Der Autor Dipo Faloyin kritisiert das. Der Kontinent werde stark pauschalisiert, schreibt er in seinem Buch “Afrika ist kein Land”. Im Interview mit ‘Wirtschaft in Afrika’ erklärt er, wie man es besser macht.

Kürzlich habe ich für den Deutschlandfunk ein Buch gelesen, dass ich euch sehr empfehlen kann: Es heißt „Afrika ist kein Land“ von Dipo Faloyin und zeigt auf, woher die vielen Stereotype über Afrika kommen. Außerdem schärft es den Blick für die deutlichen Unterschiede zwischen einzelnen afrikanischen Ländern.

Mit Wirtschaft hat das erst einmal wenig zu tun. Dafür aber viel mit einem anderen Grundgedanke dieses Blogs: dass ein differenzierter Blick auf einzelne Länder in Afrika wichtig ist. Meine ausführliche Rezension zum Buch findet ihr hier. Für meinen Blog habe ich mit dem Autor Dipo Faloyin darüber gesprochen, warum die meisten afrikanischen Staaten nicht “gescheitert”, sondern sehr erfolgreich sind.

Stereotype über Afrika: Wie Dipo Faloyin sie wahrnimmt

WiA: Dipo, gab es einen konkreten Anlass für dich, dein Buch zu schreiben?

Dipo: Das zentrale Motiv des Buches – Stereotype über Afrika zu bekämpfen – begleitet mich schon sehr lange. Die meisten Afrikanerinnen und Afrikaner kennen es, dass sie außerhalb ihres Kontinents mit Vorurteilen konfrontiert werden. Auch ich erlebe das immer wieder. Konkret hat mich dann die „Black lives matter“-Bewegung zu dem Buch motiviert. Damals gab es eine breite Debatte über Rassen, Identitäten und Geschichte und ich wollte, dass Afrika teil dieser Debatte wird.

WiA: Welche Vorurteile begegnen dir?

Dipo: Das sind oft kurze Situationen im Alltag. Als ich zum Beispiel mit etwa zwölf Jahren nach Großbritannien kam, fragten mich viele meiner Freunde dort, wie ich in Nigeria aufgewachsen bin. Viele waren dann regelrecht enttäuscht, als in meiner Erzählung keine wilden Tiere und Safaris vorkamen, sondern einfache nur eine riesige Metropole namens Lagos. Als Journalist erlebe ich außerdem oft, dass Medien über den Kontinent berichten, ohne wirklich neugierig zu sein, ohne auf einzelne Länder einzugehen.

WiA: Du lebst schon lange in Großbritannien. Hast du überhaupt noch engen Bezug zu Nigeria?

Dipo: Ja, sehr eng. Meine Familie lebt noch dort. Ich bin stolzer Nigerianer und daher ist mir auch wichtig, dass Leute meine Identität wertschätzen. Ich glaube, viele Afrikanerinnen und Afrikaner haben das Gefühl, dass ihre Identität und die Geschichte ihrer Länder nicht individuell wertgeschätzt wird. Das frustriert.

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Hier spricht Dipo Faloyin ebenfalls über sein Buch und seine persönliche Erfahrung mit Vorurteilen.

Politik in Afrika: kein Scheitern, sondern eine Erfolgsgeschichte?

WiA: Was meinst du mit „individueller Wertschätzung“? Was genau fehlt?

Dipo: Wenn man immer nur von ‚Afrika‘ spricht, wird man den einzelnen Ländern auf dem Kontinent nicht gerecht. Afrika besteht aus 54 unterschiedlichen Nationen mit eigener Geschichte. Jedes Land ist unter ganz bestimmten Umständen dahin gekommen, wo es heute steht. Wenn man diese Zusammenhänge kennt, versteht man auch, dass viele Länder mitnichten politisch gescheitert sind, sondern ganz im Gegenteil in der Vergangenheit sehr viel geleistet habe.

WiA: Wie meinst du das?

Dipo: Die afrikanischen Staaten wurden in der Kolonialzeit geschaffen. Die Besatzer haben völlig unterschiedliche Völker in künstlich geschaffenen Nationen vereint und die Grenzen teilweise so unklar definiert, dass diese bis heute umstritten sind. Nach der Unabhängigkeit sind in manchen Ländern Herrscher an die Macht gekommen, die eher für das Schlachtfeld gemacht waren als für die Politik. Viele andere Regierungen haben aber enorme Arbeit geleistet, um Staaten aufzubauen, die sie ursprünglich gar nicht wollten. Dieser Prozess dauert bis heute an.

WiA: Was heißt das genau?

Dipo: Viele Länder entwickeln über die Zeit immer stärkere Institutionen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen vor Ort, die sich mit diesen zentralisierten staatlichen Strukturen identifizieren. Dadurch können die Länder dann auch nach außen hin selbstbewusster auftreten. Man sieht das zum Beispiel in vielen ehemaligen französischen Kolonien. Diese stehen in der Beziehung zu Frankreich immer stärker für ihre eigenen Interessen ein. In Zukunft werden westliche Staaten gar nicht mehr anders können als mit afrikanischen Staaten auf Augenhöhe zu sprechen.

https://www.youtube.com/watch?v=lBynKT74SnU
Zum deutschen Kolonialreich zählten unter anderem Namibia, Togo, Kamerun, Tansania und Ruanda.

Stereotype über Afrika: Wie man sie los wird

WiA: Gerade die junge, urbane Generation verkörpert dieses neue Selbstbewusstsein sehr stark…

Dipo: Ja. Die junge Menschen haben durch das Internet viel mehr Zugang zu Informationen und sie nutzen dieses Wissen, um die Zukunft ihrer Länder mitzugestalten. Sie sind es auch, die das neue Image des Kontinents prägen: hipp, kreativ, digital. Dass Mode von afrikanischen Designerinnen und Designern und Musikgenres wie Afrobeat weltweit erfolgreich sind, setzt bisherigen Stereotypen etwas entgegen. Aber dennoch gilt: Man sollte nicht nur auf den Kontinent als Ganzes, sondern auf einzelne Länder blicken.

WiA: Wie kann man sich mehr über einzelne afrikanische Länder informieren?

Dipo: Leider gibt es noch nicht so viele Angebote. Mein Tipp ist, über Kulturangebote einzusteigen: über afrikanische Literatur etwa von Binyavanga Wainaina, über afrikanische Musik und über afrikanische Netflix-Serien wie Blood & Water. Vor allem finde ich es wichtig, neugierig und offen zu sein. Das ist die Grundvoraussetzung, um statt „Afrika“ mehr und mehr einen Kontinent mit einzelnen Ländern zu sehen.

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2 Antworten zu “Stereotype über Afrika: weit verbreitet, aber falsch”

  1. Hi Katja,
    ich bin heute zufällig über deinen Artikel zu KI für afrikanische Sprachen gestolpert und so auf deinen Blog aufmerksam geworden.
    Ich bin auch Journalistin, arbeite allerdings seit Jahren als Moderatorin hauptsächlich im entwicklungspolitischen Umfeld und kenne viele der Stereotypen, die du erwähnst. Meine Familie dachte, ich sei vom Wahnsinn umzingelt als ich vor einigen Jahren in Nigeria Urlaub gemacht habe. Bei jeder Reise in afrikanische Länder, muss ich sie vorher beruhigen. Ich finde, wir könnten so viel von den lokalen Entwicklungen und vor allem den Menschen lernen, wenn wir unseren kolonial geprägten Blick ablegten.
    Umso schöner, deine spannenden Artikel zu lesen und diese nun weiterempfehlen zu können.
    Vermutlich kennst du dieses großartige Magazin aus Afrika über Afrika bereits: https://www.thecontinent.org/
    Herzliche Grüße aus Bonn, Ute

    1. Hi Ute,
      ich freue mich sehr über Deinen Kommentar und Dein Interesse an meinem Blog. Herzlichen Dank dafür!
      Ja The Continent kenne ich, das lese ich auch sehr gerne. Und dieses Angebot kann ich auch empfehlen: https://www.riffreporter.de/de/magazine/afrika
      Die drei Autorinnen arbeiten als Auslandskorrespondentinnen auf dem afrikanischen Kontinent.
      Herzliche Grüße! Katja

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