Jumia in der Krise: 3 Gründe für den Abstieg

Jumia in der Krise: Das einstige Vorzeigeunternehmen steckt in der Krise.

Die nigerianische E-Commerce-Plattform Jumia steckt in der Krise: Jahrelang galt der Online-Händler als eines der Vorzeigeunternehmen auf dem Kontinent. Nun ist die Erfolgsgeschichte ins Stocken geraten.

Junge Männer und Frauen sitzen an schlichten Tischreihen vor ihren Laptops. Die Fenster sind abgedunkelt; Klimaanlagen sorgen dafür, dass die warme Luft im Raum zumindest nicht still steht. So sah es 2018 aus im Hauptquartier des Online-Händlers Jumia in Lagos, Nigeria. Damals habe ich das Unternehmen bei einer Recherchereise besucht. Denn es galt als “Amazon Afrikas” und eines der erfolgreichsten Technologie-Start-ups auf dem ganzen Kontinent.

Jahrelang gab es für Jumia scheinbar nur einen Weg: Richtung Weltspitze. Nun aber gerät dieser Erfolg ins Wanken. Unstimmigkeiten in den Bilanzen, Kritik von Analysten und hohe Schuldenberge: All das hat den Aktienkurs des Unternehmens stark fallen lassen. Anfang April hat sich sogar die Berliner Investmentfirma Rocket Internet, die Jumia mit aufgebaut hat, als Investor zurückgezogen. Für das einstige Vorzeigeunternehmen ein bedenkliches Signal, sagte der nigerianische Finanzanalyst Aly-Khan Satchu dem Online-Magazin Quartz Africa.

Jumia – der Aufstieg

Begonnen hat der Aufstieg von Jumia im Jahr 2012. Gegründet wurde das Unternehmen von den französischen Ex-McKinsey Beratern Jeremy Hodara und Sacha Poignonnec, die bis heute an der Spitze stehen. Damals war Online-Shopping sowohl in Nigeria als auch in anderen afrikanischen Ländern kaum verbreitet. Doch das sollte sich mit Jumia ändern. Noch im Jahr der Gründung expandierte das Start-up nach Marokko, Südafrika und Ägypten. Und schnell folgten weitere Länder. Inzwischen ist das Unternehmen eigenen Angaben zufolge in insgesamt 13 Ländern aktiv.

Denn im Internet einzukaufen hat für die Menschen vor Ort viele Vorteile. Das hat mir Juliet Anammah bei meinem Besuch vor Ort erklärt. Die Managerin führte damals Jumia Nigeria und sitzt inzwischen im Aufsichtsrat der Jumia Group. Sie hat erzählt, dass es in Nigeria und anderen Ländern gerade in ländlichen Gebieten nur wenig Geschäfte gibt. Der Online-Handel biete den Menschen daher die Möglichkeit, auch mal außergewöhnlichere Produkte zu kaufen. Und dabei Angebote und Preise zu vergleichen: “Es kann also nicht mehr passieren, dass man zwei Stunden zum Markt reist und dann feststellt: Ein Produkt ist ausverkauft.“

Jumias Börsengang: ein kurzer Erfolg

Genau wie Amazon bietet Jumia dabei sowohl eigene Produkte als auch Waren von anderen Händlern an – gilt also als Online-Plattform. Mit diesem Geschäftsmodell hat das Unternehmen über Jahre einen Erfolg nach dem anderen gesammelt: 2016 war das Unternehmen als erstes afrikanisches Tech-Start-up mehr als eine Milliarde US-Dollar wert. 15 Millionen Menschen besuchen laut Jumia monatlich den Online-Shop des Unternehmens. Und im April 2019 schaffte es Jumia als erstes afrikanisches Tech-Unternehmen an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq notiert zu werden.

Der Börsengang war für Jumia ein Erfolg. Am Ende des ersten Handelstags lag der Wert der Jumia-Aktien 75 Prozent über dem Ausgabepreis von 14,50 US-Dollar. Anfang Mai 2019 kostete eine Aktie des Unternehmens sogar gut 46 US-Dollar. Seitdem aber hat das Unternehmen rapide an Wert verloren – und zwar aus drei Gründen:

1. Börsianer zweifeln am Wert des Unternehmens

Angefangen haben die Probleme von Jumia mit einem Bericht von Citron Research im Mai 2019. Citroen Research ist ein amerikanisches Unternehmen, das Leerverkäufe durchführt – das sich also Aktien leiht und diese verkauft, um sie später zu einem günstigeren Preis wieder zurückzukaufen (hier bei HB Orange findet ihr eine ausführliche Erklärung).

In seinem Bericht schrieb der Leerverkäufer, er habe die Kopie einer vertraulichen, internen Präsentation von Jumia zugespielt bekommen. Demnach habe Jumia vor dem Börsengang falsche Angaben bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC gemacht. Das Unternehmen habe die Zahl der aktiven Händler und Nutzer auf der Plattform um 20 bis 30 Prozent geschönt, so der Vorwurf von Citron Research. Und: Die Zahl der Retouren und gecancelten Aufträge sei deutlich höher als angenommen.

“In 18 Jahren Publikationstätigkeit hat Citron noch nie einen so offensichtlichen Betrug wie bei Jumia erlebt”, so das Fazit der Leerverkäufer. Jumias Co-Chef Sacha Poignonnec entgegnete, Medienberichten zufolge, der Bericht sei “eine Sammlung von sehr selektiven und voreingenommenen Fakten.” Anleger aber schenkten dem Report von Citroen Research mehr Glauben: Der Wert der Aktie halbierte sich binnen weniger Tage.

2. Jumia hat Fehler zugegeben

Weiter bergab ging es mit dem Aktienkurs auch danach. Vor allem, als Jumia im August 2019 zugab, dass dem Unternehmen in Nigeria tatsächlich fehlerhafte Transaktionen in den Bilanzen aufgefallen seien. Unter anderem ging es dabei um die Arbeit der sogenannten J-Force, einem Team unabhängiger Verkaufsberater von Jumia. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet, sind dort nach Angaben von Jumia Aufträge erteilt worden, nur um direkt danach wieder storniert zu werden.

Die fraglichen Transaktionen begannen demnach bereits 2018 und beliefen sich im ersten Quartal 2019 auf vier Prozent der Verkäufe. Wie das südafrikanische Medienunternehmen iAfrikan berichtet, entließ Jumia daraufhin die betroffenen Mitarbeiter. Und Jumia Co-Chef Sacha Poignonnec betonte, es handle sich um Einzelfälle ohne Einfluss auf die finanzielle Situation des Unternehmens insgesamt. Zu Recht allerdings fragt iAfrikan, warum Jumia der großangelegte Betrug nicht früher aufgefallen sei.

3. Jumia macht enorme Verluste

Dass Jumia in der Krise steckt, hat zudem einen weiteren Grund. Das Unternehmen macht enorme Verluste. Und zwar seit Jahren ohne Aussicht auf Besserung. So hat der Online-Händler im vierten Quartal 2019 zwar umgerechnet knapp 50 Millionen Euro Umsatz gemacht. Das sind 24 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Gleichzeitig aber machte das Unternehmen auch gut 63 Millionen Euro Verlust. Sprich: Es hat mehr Geld verbrannt als eingenommen.

Jumia-Managerin Juliet Annamah hat mir gegenüber diese hohen Verluste damit begründet, dass es enorm teuer und aufwändig ist, auf dem afrikanischen Kontinent Infrastruktur für den Online-Handel aufzubauen. Das Unternehmen muss sich zum Beispiel vielerorts komplett selbst um die Logistik kümmern und dabei auch sicherstellen, dass Pakete nicht gestohlen werden. Langsam aber verlieren Investoren offenbar den Glauben daran, dass sich die Zahlen irgendwann bessern. Jumia-Aktien sind inzwischen nur noch gut vier Dollar wert.

Wie Jumia die Krise überwinden will

Um die Kosten zu senken, hat sich Jumia inzwischen aus mehreren Ländern zurückgezogen. Zum Beispiel aus Kamerun, Ruanda und Tansania. Darüber hinaus hat Jumia begonnen, seinen Online-Bezahldienst JumiaPay auszubauen, um so zusätzliche Einnahmen zu generieren. Allerdings gibt es in Nigeria und auch anderen afrikanischen Ländern bereits sehr erfolgreiche Online-Bezahldienste, wie dieser Blogbeitrag von mir zeigt. Sich dort zu etablieren wird für Jumia nicht einfach.

Ob es Jumia schafft, die aktuelle Krise zu überwinden, bleibt also abzuwarten. Der Siegeszug des Online-Handels auf dem Kontinent wird aber dennoch nicht aufzuhalten sein: Wie die Deutsche Welle berichtet, ist inzwischen auch der chinesische Online-Händler Alibaba bereits in Ruanda und Äthiopien aktiv.

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