Tunesien ist eines der Top-Reiseziele auf dem afrikanischen Kontinent. Knapp neun Millionen Besucher hatte das Land im Jahr 2023, vor allem wegen der schönen Strände und historischen Kulturstätten. Spannend ist aber auch die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort – vor allem im Energiesektor.
Am Strand liegen, wenig Pläne haben und sich treiben lassen: Urlaub machen ist großartig. Und es geht ziemlich gut in Tunesien. Das nordafrikanische Land ist bekannt für seine schönen Strände, beeindruckende Wüsten und traditionsreichen Bauwerke.
Ich finde aber: Gerade bei Reisen außerhalb von Mitteleuropa lohnt es sich, sich vor der Abfahrt auch mal politisch und wirtschaftlich mit seinem Reiseziel zu beschäftigen. Politisch stand Tunesien zuletzt in der Kritik. Es sei nun vollends eine Autokratie, schrieb die FAZ, nachdem Präsident Kaïs Saïed seinen Machterhalt durchgesetzt hat. Aus wirtschaftlicher Sicht interessant ist, dass das Land über eine aufstrebende IT-Wirtschaft verfügt und als wichtiger Partner für die EU im Bereich grüner Energie gilt.
Urlaub in Tunesien: Der Tourismus als Wirtschaftsfaktor
In diesem Text möchte ich euch aufzeigen, was die wichtigsten Wirtschaftsbranchen und -ziele für Tunesien sind. Genau genommen seid ihr als Reisende eh “mitten drin” im Wirtschaftsleben des Landes. Nach Angaben des World Travel & Tourism Council (WTTC) macht der Tourismussektor in Tunesien nämlich in diesem Jahr 14 Prozent der Gesamtwirtschaft aus.
Die Zahl der Jobs in der Branche werde bis Jahresende auf knapp 420 000 steigen, schätzt der WTTC. Nach einem starken Einbruch in der Coronapandemie habe sich der Tourismus in Tunesien fast vollständig erholt. Künftig will das Land noch mehr Reisende, unter anderem aus Deutschland und China anwerben. Dafür entsteht derzeit neue Infrastruktur vor Ort. Im Sommer 2023 hat in Tunesien das erste Hilton Hotel eröffnet. Die nationale Fluggesellschaft Tunisair arbeitet kontinuierlich am Ausbau der Flugverbindungen ins Land.
Urlaub in Tunesien: Tunis als Treffpunkt der IT-Szene
Interessant an Tunesien ist außerdem, dass sich dort in den vergangenen Jahren eine starke IT-Branche etabliert hat. Derzeit gibt es nach Angaben der deutschen Entwicklungsinitiative Tech216 rund 1800 tunesische IT-Firmen mit über 100 000 Arbeitsplätzen. Und jedes Jahr kommen danach rund 10 000 gut ausgebildete Hochschulabsolventen als IT-Fachkräfte neu dazu – ein Grund, warum viele westliche Firmen mittlerweile IT-Dienste nach Tunesien auslagern.
Darüber hinaus versucht die Regierung, Start-up-Gründungen zu fördern. Sie hat 2018 einen sogenannten Start-up-Act auf den Weg gebracht: also ein Gesetz, dass junge Unternehmen steuerlich begünstigt und ihre bürokratische Hürden verringert. Der tunesische Start-up-Act ist mittlerweile Vorbild für ähnliche Gesetzgebungsinitiativen in vielen anderen afrikanischen Ländern.
Südafrika zum Beispiel zählt zu den Ländern, die mittlerweile auch einen Start-up-Act haben. Warum das Gesetzesvorhaben dort nicht unumstritten war, lest ihr hier.
Urlaub in Tunesien: Olivenöl als kulinarisches Highlight
Fahrt ihr von Tunis ins Landesinnere, werdet ihr schnell feststellen, dass in Tunesien sehr viel Landwirtschaft betrieben wird. Das Land muss zwar Grundnahrungsmittel wie Weizen importieren. Aber es verfügt über eine große Expertise in der Olivenölproduktion. Tunesische Produzenten gewinnen regelmäßig Auszeichnungen beim weltweiten Wettbewerb NYIOOC World Olive Oil Competition. Dort findet ihr auch eine Liste der besten Hersteller im Land.
Neben Olivenöl sind außerdem Datteln ein wichtiges Exportgut von Tunesien. 70 Prozent der Dattelproduktion finden in der Region Kébili südlich des Salzsees Chott el Djerid statt, schreibt das dort ansässige Familienunternehmen CCF. Die Familie beliefert unter anderem die deutsche Bio-Marke Rapunzel. Möglicherweise habt ihr deren Früchte also sogar schon einmal gegessen.
Tunesien: Bald Vorreiter bei grünem Strom?
Wenn ihr in Tunesien das Licht anschaltet, dann wird der Strom dafür vermutlich durch die Verbrennung von Erdgas gewonnen. Das ist teuer, weil Tunesien sehr viel Erdgas importieren muss. Und umweltschädlich ist es auch. Dabei verfügt das Land über ein großes Potential für den Ausbau von grüner Energie. Die dortige Regierung hat sich vorgenommen, bis zum Jahr 2030 etwa ein Drittel des tunesischen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu decken.
Ein großes Bauprojekt in dieser Hinsicht ist im Mai gestartet: Ein neues Solarkraftwerk soll nahe der islamischen Pilgerstätte Kairouan entstehen. Das Dubaier Unternehmen AMEA Power führt die Arbeiten durch. Und falls ihr auf eurer Reise auf der Halbinsel Kap Bon vorbeikommt: Auch dort entsteht ein neues Großprojekt – das Unterseestromkabel ELMED. Es verbindet Tunesien mit Italien und soll künftig den Export von grünem Strom in die EU ermöglichen.
Geplant: Enge Energiepartnerschaft mit Europa
Dass der Ausbau der grünen Energie in Tunesien schnell vorangeht, ist für die tunesische Regierung auch mit Blick auf ihre Wasserstoffstrategie wichtig. Tunesien will bis 2050 jährlich rund 8,3 Millionen Tonnen grünen Wasserstoff mit erneuerbarer Energie herstellen und einen großen Teil davon in die EU exportieren. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits.
Im Mai haben europäische Energiefirmen wie Total Energies aus Frankreich und Verbund aus Österreich eine entsprechende Absichtserklärung mit Tunesien unterzeichnet. Sie planen den Bau eines Elektrolyseurs, der mit Wind- und Solarkraft Wasserstoff aus entsalztem Meerwasser erzeugen soll. Der Wasserstoff soll per Pipeline über Italien und Österreich bis nach Deutschland geleitet werden, wie in der folgenden Abbildung deutlich wird:
Fazit: Mehr als schöne Strände und historische Bauwerke
Ihr merkt, wer mit offenen Augen und etwas Vorwissen durch Tunesien fährt, sieht nicht nur ein sehr schönes Reiseland, sondern auch eine spannende Volkswirtschaft im Wandel. Und mit Blick auf den Energiesektor könnte Tunesien in Zukunft ein wichtiger Partner für die europäische Wirtschaft werden. I
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