In Südafrika soll ein neues Gesetz bessere Startbedingungen für Start-ups schaffen. Das könnte der Volkswirtschaft zu neuem Schwung verhelfen. Zwei Länder dienen als Vorbild für die Initiative.
Mehr Berichterstattung über Start-ups und über Wirtschaftspolitik: Das waren zwei Aspekte, die ihr euch im Rahmen meiner Leserumfrage für den Blog gewünscht habt. Das habe ich mir natürlich zu Herzen genommen und berichte in dieser Woche über den sogenannten Start-up Act in Südafrika.
Der Start-up Act ist ein Gesetzesvorschlag, der die Arbeitsbedingungen für Start-ups verbessern soll. Der Vorschlag stammt von mehreren privaten Initiativen in Südafrika. Darunter sind die Start-up-Vereinigung SiMODiSA, die panafrikanische Bewegung i4Policy und die Nichtregierungsorganisation Silicon Cape für ein innovatives Kapstadt. Die Initiativen haben Ende September ein White Paper für einen Start-up-Act vorgelegt. Und die Ergebnisse habe ich mir für diesen Text genauer angeschaut.
Start-up Act in Südafrika: Was genau ist geplant?
Der Start-up Act in Südafrika soll zunächst definieren, welche Unternehmen der Staat fördern soll. Das klingt banal, ist es aber nicht. Die Bezeichnung ‘Start-up’ ist nämlich sehr vage. Grundsätzlich sind damit junge, schnell wachsende Unternehmen gemeint, die in der Regel ein digitales Geschäftsmodell haben. Aber es gibt immer wieder Grenzfälle: Was ist zum Beispiel mit einer jungen Modemarke, die ein klassisches Geschäftsmodell hat, aber international heraussticht? Oder mit Unternehmen, die analog arbeiten, aber hoch innovative Technologien entwickeln? Der Start-up Act braucht klare Standorts, ob Unternehmen in solchen Fällen gefördert werden oder nicht.
Ziel des Start-up Acts ist es zudem, südafrikanischen Gründern die Arbeit so leicht wie möglich zu machen. Die Initiatoren fordern, dass die Regierung insgesamt Gesetze, die Start-ups betreffen, harmonisiert und vereinfacht. Start-ups sollen außerdem bei Aufträgen aus dem öffentlichen Dienst bevorzugt berücksichtigt werden. Und sie sollen leichter ausländische Fachkräfte ins Land holen können. Der Zugang zu Wagniskapital für Gründer soll erleichtert werden. Die vollständigen Vorschläge der Initiativen könnt ihr euch hier anschauen.
Start-up Act in Südafrika: Warum er für das Land so wichtig ist
Die Befürworter eines Start-up-Acts in Südafrika wollen vor allem Eines: der Wirtschaft im Land zu neuem Schwung verhelfen. Südafrika macht derzeit wirtschaftlich eine schwierige Phase durch. Die Wirtschaftsleistung des Landes ist im Jahr 2020 um sieben Prozent geschrumpft. Das zeigen Zahlen der deutschen Agentur für Außenwirtschaftsförderung GTAI. Das liegt teilweise an der Coronapandemie. Dazu kommen aber grundsätzliche Probleme.
Obwohl Südafrika nach wie vor zu den wirtschaftlich stärksten Ländern in Afrika zählt, gelten die Strukturen teilweise als marode. So gibt es dort mehrere ineffizient aufgestellte und stark überschuldete Staatskonzerne. Korruption gilt als weit verbreitet. Und politische Unruhen sowie Proteste und Plünderungen haben zuletzt viele internationale Investoren abgeschreckt.
Dazu kommt, dass Südafrika dringend neue Jobs braucht. Die Arbeitslosigkeit im Land stieg im zweiten Quartal 2021 auf einen neuen Rekordwert von gut 34 Prozent – einen der höchsten Werte weltweit. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Würde ein Start-up Act Unternehmen fördern, die schnell wachsen und neue Jobs schaffen, wäre das für Südafrika eine große Hilfe. Das Potential dafür ist da: Wie ein Bericht des Beratungsunternehmens Startup Genome zeigt, gelten Kapstadt und Johannesburg schon jetzt als Start-up-Hochburgen in Afrika. Im internationalen Vergleich haben beide Standorte allerdings Nachholbedarf.
Start-up Act in Südafrika: Welche Vorbilder gibt es?
Die Idee, Start-ups über ein eigenes Gesetz zu fördern, ist nicht neu. Das erste afrikanische Land, das im Jahr 2018 einen solchen Act eingeführt hat, war Tunesien. Mit dem Gesetz wurden dort drei Dinge umgesetzt. Die Gründung von Unternehmen wurde rechtlich erleichtert. Die Regierung hat einen staatlichen Fonds geschaffen, mit dem Start-ups aus bestimmten Branchen unterstützt werden. Und sie hat Start-up-Zentren und -Akteure im Land enger vernetzt, damit Gründer besser betreut werden. Dem Land hat das viele Vorteile gebracht. Im Global Entrepreneurship Index lag Tunesien zuletzt auf Platz 40 und zählte damit zu den besten Gründerstandorten in ganz Afrika.
Das zweite Land in Afrika, das Anfang des Jahres 2020 einen Start-up-Act verabschiedet hat, ist der Senegal. Start-ups bekommen dort zum Teil Zollvergünstigungen. Zudem erleichtern staatliche Bürgschaften Gründern die Aufnahme von Krediten. Außerdem haben Start-ups dort tatsächlich erleichterte Bedingungen bei öffentlichen Aufträgen, schreibt das Portal African Heros. Der Senegal verfüge über “das wohl ausgereifteste Startup-Ökosystem im frankophonen Afrika […] und eine aufstrebende regionale Risikokapitalbranche”, schreibt die Plattform Venture Capital for Africa.
Neben Südafrika arbeiten aktuell weitere Länder an eigenen Start-up Acts. Ghana zum Beispiel und Ruanda.
Start-up Act in Südafrika: Warum es auch Kritik gibt
Interessant finde ich, dass nicht alle die Pläne in Südafrika uneingeschränkt unterstützen. Wesley Diphoko, der Chefredakteur des Onlinemagazins Fast Company, befürchtet, dass es in der südafrikanischen Start-up-Szene dadurch zu einer Hire-und-Fire-Mentalität kommen könnte. “In der Startup-Welt gibt es Geschichten von Gründern, die freitags ihre Geschäftszahlen überprüfen, und wenn sie Probleme bei der Gehaltsabrechnung vorhersehen, direkt anfangen, Mitarbeiter zu entlassen”, schreibt er. Er hält es daher für keine gute Idee, jungen Unternehmen laxere Arbeitsschutzregeln zu gewähren.
Er kritisiert auch, dass für Start-ups einfachere Beschaffungsregeln im öffentlichen Dienst gelten sollen. Dazu muss man wissen: In Südafrika gibt es für die Vergabe von Aufträgen die sogenannten BBB-EE Kriterien (Broad-Based Black Economic Empowerment). Unternehmen müssen also nachweisen, dass sie Menschen mit schwarzer Hautfarbe in ihre Geschäfte einbinden – nur dann haben sie bei öffentlichen Aufträgen eine Chance. Start-ups von diesen Regeln ganz oder teilweise auszunehmen, halte er für falsch, schreibt Wesley Diphoko: “Wer das Startup-Ökosystem in Südafrika kennt, das hauptsächlich von einer Gruppe privilegierter Südafrikaner dominiert wird, wird die Notwendigkeit von BBB-EE in diesem Sektor verstehen.”
Start-up Act in Südafrika: Wie es nun weitergeht
Ein konkretes Datum, ob bzw. wann die Regierung den Start-up Act in Südafrika umsetzen will, habe ich bei meiner Recherche nicht gefunden. Die privaten Initiativen, die den Gesetzesvorschlag ausgearbeitet haben, werden im nächsten Schritt um politische Zustimmung dafür werben. Ich gehe davon aus, dass ein solches Gesetz durchaus positive Wirkung auf die Wirtschaft in Südafrika haben kann. Vorausgesetzt, es schafft weder neue Ungleichheiten noch neue Bürokratie im Land. Sonst macht es Gründern womöglich mehr, statt weniger Arbeit. Die Kritikpunkte, die der Start-up-Experte Wesley Diphoko anführt, finde ich darüber hinaus ebenfalls interessant und wichtig. Wie ist eure Meinung zu den Plänen? Schreibt es mir gerne in die Kommentare!
- Start-up-Acts sind für afrikanische Länder sehr wichtig, schreibt Jordan Wolken vom Atlantic Council’s Africa Center. Warum, lest ihr in diesem Meinungsbeitrag.
- Afrikanische Länder gelten derzeit oft als “Rising-Star am Start-up-Himmel”. Ob zu Recht – dieser Frage ist das Portal Gründerfreunde.de nachgegangen.
- Warum gerade Kapstadt gute Bedingungen für Gründer*innen bietet, lest ihr hier.
- Warum sich schwarze Gründer*innen in Afrika teilweise diskriminiert fühlen, erklärt der Spiegel am Beispiel von Kenia.
2 Antworten zu “Start-up Act in Südafrika: Kraftschub für das Land am Kap?”