Recycling in Afrika: Rohstoffe für deutsche Firmen

Recycling in Afrika

Das nigerianische Recyclingunternehmen Chanja Datti macht aus Plastikflaschen, Aluminiumdosen und Papier neue Rohstoffe für Unternehmen. Gründerin Olufunto Boroffice will künftig auch in die EU exportieren. Neue europäische Vorschriften helfen ihr dabei.

Heute will ich euch auf meinem Blog eine Unternehmerin vorstellen, auf die ich über den Female Founders Act Now Award der Stiftung Manager ohne Grenzen aufmerksam geworden bin. Olufunto Boroffice hat lange in den USA gelebt und war dort gut zwölf Jahre lang Führungskraft beim Mischkonzern General Electric. 2012 zog sie zurück in ihr Heimatland Nigeria, arbeitete als technische Assistentin des nigerianischen Energieministers und gründete dann das Recyclingunternehmen Chanja Datti. Die deutsche Stiftung Manager ohne Grenzen hat das Unternehmen in der Kategorie „Impact“ ausgezeichnet.

Wirtschaft in Afrika (WiA): Frau Boroffice, wie kamen Sie auf die Gründungsidee?

Olufunto Boroffice: Als ich noch in den USA gelebt habt, sind mir bei meinen Besuchen in Nigeria immer zwei Dinge aufgefallen: wie viele Menschen keine Arbeit hatten und wie viel Müll dort herumlag. Als ich dann zurückkam und als technische Assistentin für den Energieminister arbeitete, kamen viele Investoren zu uns und wollten etwas Sinnvolles mit den Abfällen im Land machen, Energie gewinnen zum Beispiel. Das ging aber nicht, weil Abfälle in Nigeria in der Regel deponiert, verbrannt oder gar nicht erst eingesammelt werden. Es gibt nur sehr wenig Mülltrennung und Sortieranlagen. Das will ich mit Chanja Datti ändern.


Müll Afrika

Wie ist der aktuelle Stand der Abfallwirtschaft in Nigeria und was sind die Herausforderungen beim Übergang zur Kreislaufwirtschaft? Das erklärt Esohe Braimah, Finanzexpertin an der Universtität Lagos, in diesem Linkedin-Artikel.


Recycling in Afrika: Wichtig sind die richtigen Anreize

WiA: Wie sind Sie die Gründung angegangen?

Boroffice: Ich hatte beim Start drei Mitarbeiter. Anfangs habe ich die Gehälter, Büromieten und die ersten Recyclinganlagen aus meinen privaten Ersparnissen finanziert. Die hatte ich unter anderem aus meiner Zeit in den USA. Auch Freunde und Familie haben mich unterstützt. Unsere größte Herausforderung seit dem Start ist es, die Menschen im Land zu motivieren, Müll zu sammeln und zu trennen. Viele haben drängendere Probleme im Alltag. Sie brauchen also einen Anreiz dafür.

WiA: Wie machen Sie das?

Boroffice: Wir betreiben 18 sogenannte „Cash-for-Trash“-Stationen in Abuja und 5 in Lagos. Dort können die Menschen Abfall abgeben, den sie in ihren Haushalten oder in ihrer Nachbarschaft gesammelt haben, und bekommen im Gegenzug Geld oder Lebensmittel. Wir haben soziale Initiativen wie „Bottles for Books“ oder „Waste for Justice“ und unterstützen Communities, die Müll sammeln, im Gegenzug bei den Schulgebühren für Kinder und zahlen ihnen den Rechtsbeistand für Angehörige in Untersuchungshaft. Wir arbeiten außerdem mit Unternehmen wie Nestlé und Coca Cola zusammen. Dadurch können Sammler, die bei uns Müll abgeben, mit einem entsprechenden Beleg günstiger Produkte von unseren Kooperationpartner erwerben.

So sehen sie aus: die “Cash 4 Trash”-Stationen von Chanja Datti. (Foto: Unternehmen)

WiA: Das heißt, es geht insbesondere um finanzielle Anreize für die Menschen?

Boroffice: Nicht nur. Bei Menschen mit wenig Einkommen ist das so, natürlich. Aber bei Haushalten aus der Mittelschicht ist das anders. Die haben eher Zeit dafür, sich mit Dingen wie Mülltrennung zu beschäftigen. Denen möchten wir vor allem den Prozess so leicht wie möglich machen. Wir haben eine eigene App entwickelt. Darüber können Haushalte einen Abholtermin mit uns vereinbaren. In Abuja kommen wir dann mit dem E-Bike vorbei und holen den Müll ab.

Recycling in Afrika: Rohstoffe sind vor Ort begehrt

WiA: Wo groß ist Ihre Firma inzwischen?

Boroffice: Ich habe 85 Vollzeitangestellte und rund 120 Teilzeitkräfte. Darüber hinaus haben wir circa 4000 – 5000 Sammler im Land, die uns zuarbeiten. Wir arbeiten außerdem inzwischen mit rund 20 großen Abfallsammlern zusammen, die uns Müll per Lastwagen anliefern. Das ist für uns wichtig, weil wir so auf größere Mengen kommen. Aus dem Abfall produzieren wir dann nämlich sogenannte Flakes und Pellets, die lokale Unternehmen wie Alkem, Alef und OM Recycling zur Herstellung von Flaschen oder auch Eierkartons wiederverwenden. Chanja Datti ist profitabel und wächst aus den laufenden Einnahmen. Außerdem haben wir schon mehrere Preise und Start-up-Wettbewerbe gewonnen und konnten dadurch größere Anschaffungen finanzieren.

Recycling in Afrika
Ein schwer bepackter LKW erreicht Chanja Datti.

WiA: Ist es schwer, Abnehmer für Ihr recyceltes Material zu finden?

Boroffice: Das ist eher der leichtere Part. In Nigeria ist es, dass die lokal produzierten, recycelten Rohstoffe günstiger sind als importiere neue Rohstoffe. Auf letztere müssen Unternehmen nämlich Importzölle zahlen. Nigerianische Firmen müssen außerdem vorher bei ihren Banken Naira in Dollar oder Euro umtauschen. Das kann lange dauern und ist mit Risiken durch Wechselkursschwankungen verbunden. Die Inflationsrate in Nigeria liegt aktuell bei knapp 30 Prozent. Das ist auch für uns ein großes Problem.

Mittelstand in Afrika: Hohe Inflation als Hemmnis

WiA: Weil es generell die Wirtschaft schwächt?

Boroffice: Ja, und weil die Inflation es schwierig macht, unsere Preise richtig zu kalkulieren. Um stabiler planen zu können, wollen wir künftig mehr Geld in ausländischen Währungen verdienen. Insbesondere haben wir Europa im Blick: Die EU verpflichtet europäische Unternehmen zunehmend, mehr recyceltes Material zu verwenden. Das sehen wir als Chance.

WiA: Ist der Export in die EU schwierig?

Boroffice: Es ist natürlich ein längerer Prozess. Eine Hürde für uns sind die Qualitätsstandards. Wir verwenden derzeit chinesische Anlagen fürs Recycling, weil diese in der Anschaffung günstiger sind. Damit lässt sich aber nicht die Qualität erreichen, die wir brauchen, um zum Beispiel europäische Lebensmittelhersteller zu beliefern.

Info: Die EU hat zum Beispiel festgelegt, dass PET-Einwegflaschen ab 2025 mindestens 25 Prozent und ab 2030 mindestens 30 Prozent Recyclingmaterial enthalten müssen. (Quelle: BMUV)

WiA: Das heißt, Sie brauchen zuerst Investoren?

Boroffice: Mittelfristig wollen wir auf jeden Fall Wagniskapitalgeber ansprechen, aktuell aber nicht. Denn solange wir ausschließlich in Nigeria tätig sind und stark von der unsicheren Wirtschaftslage im Land abhängig sind, kann ich Investoren nicht mit gutem Gewissen versprechen, dass sie ihr Geld zurückbekommen. Mein Ziel ist es daher, es zunächst aus eigener Kraft zu schaffen, mit Chanja Datti in der EU Fuß zu fassen. Dann können wir auch aus einer ganz anderen Position heraus mit Investoren verhandeln.

WiA: Wie gehen Sie den Export an?

Boroffice: Ich mache derzeit viel strategische Arbeit. Chanja Datti ist der Initiative Plastics Recyclers Europe beigreten. Außerdem war ich mit dem EU Visitors Programm in Brüssel und habe dort Kontakte zu EU-Vertretern geknüpft. Unser Ziel ist es, in Europa zunächst Unternehmen aus Branchen wie der Automobilindustrie zu beliefern. Dort gelten niedrigere Standards als in der Lebensmitteltechnik. Parallel dazu arbeiten wir daran, unsere Sammelmengen in Nigeria auszuweiten, um europäischen Abnehmern dann auch entsprechende Mengen anbieten zu können.


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