In Afrika gibt es sehr viel Potential für Wind- und Solarstrom, auch für Wasserkraft. Manche sehen den Kontinent daher als Energielieferant der Zukunft. Doch in der Praxis gibt es Hürden.
Vor Kurzem bin ich bei der Recherche auf einen interessanten Text gestoßen. Jakkie Cilliers, der Gründer des südafrikanischen Institute for Security Studies, hat darin beschrieben, wie die Zusammenarbeit mit Afrika russisches Öl und Gas in Europa überflüssig machen soll.
Er schreibt: „Der Einmarsch Russlands könnte eine afrikanische Energierenaissance einleiten“ und verspricht sich vor allem von Sonnenstrom und Wasserkraft große Potentiale. Aus europäischer Sicht klingt das spannend. Schließlich will die EU nicht erst seit dem Ukraine-Krieg weg von russischem Öl und Gas, nun aber noch schneller.
Grüne Energie aus Afrika: Schon lange ein Thema
Konkret plädiert Cilliers für die Umsetzung von zwei Großprojekten, die allerdings beide sehr umstritten sind. Das eine ist “Desertec 2.0”, also die Erzeugung von Solarstrom in nordafrikanischen Wüstengebieten. Das andere Projekt ist “Grand Inga”, also die Errichtung eines riesigen Staudamms am Kongofluss.
Ich habe mich beim Lesen der Analyse gefragt: Hat Afrika tatsächlich das Potential, der neue Energielieferant der Zukunft zu werden? Ist das überhaupt sinnvoll? Und können diese Projekte dazu beitragen? Diesen Fragen bin ich für Europe.Table nachgegangen, einem professionellen täglichen Newsletterangebot über EU-Politik.
Grüne Energie aus Afrika: Solarstrom aus dem Norden
Auf meinem Blog lest ihr nun eine gekürzte Version des Textes für Europe.table. Ausgangspunkt dafür ist die Analyse von Cilliers. Er schreibt, Unternehmen sollten große Solaranlagen in Nordafrika aufbauen und den so gewonnenen Strom direkt nach Südeuropa transportieren. Dafür brauche es neue Unterseekabel zwischen Afrika und Europa, von denen einige schon in Planung seien.
Spricht man mit Experten über diese Idee, sind viele skeptisch. Strom über lange Strecken zu transportieren, sei mit energetischen Verlusten verbunden, argumentieren sie. Und: In Anbetracht des Streits, den es schon in Deutschland bei der Verlegung von neuen Hochspannungsleitungen gibt, ist es fraglich, ob solche Konzepte in noch größerem Umfang funktionieren.
Grüne Energie aus Afrika: Export von grünem Wasserstoff
Solar- und Windstrom direkt aus Afrika nach Europa zu transportieren, gilt also schon technologisch schwierig. EU und deutsche Bundesregierung gehen daher einen anderen Weg. Sie wollen mit Wind-, Solarstrom und Wasserkraft in Afrika grünen Wasserstoff erzeugen und diesen in die EU bringen.
Aktuell wird erforscht, welche Länder und Standorte dafür in Frage kommen. Das Forschungszentrum Jülich erstellt im Auftrag der Bundesregierung einen sogenannten “H2Atlas”. Für Westafrika schreiben die Forscher: 33 Prozent der Landflächen eignen sich für Photovoltaik, 76 Prozent für Onshore-Windkraftanlagen. Strom dort zu produzieren wäre deutlich günstiger als in Europa.
Schwierige Suche nach passenden Partnern
Die Experten, mit denen ich für Europe.Table über die Pläne zur Erzeugung von grünem Wasserstoff gesprochen habe, gaben allerdings zu bedenken: Die Erfahrung mit Russland habe gezeigt, dass in der Energieversorgung verlässliche Partner sehr wichtig sind. Und längst nicht alle Länder in Afrika, die geographische gute Voraussetzungen für die Wasserstoffproduktion bieten, sind politisch stabil.
Als viel versprechender Partner gilt das Land Namibia. Es ist dünn besiedelt, bietet viel Wind und Sonne und wird demokratisch regiert. Die Bundesregierung hat daher schon eine Partnerschaft mit der namibischen Regierung gestartet. Deutschland will das Land mit 40 Millionen Euro beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft unterstützen. Erste Projekte sollen ab Sommer starten.
Grüne Energie aus Afrika: Darf man das?
Eine Frage, die ich mir stelle, ist allerdings: Bevor Afrika grünen Strom erzeugt und diesen in Form von grünem Wasserstoff exportiert – sollte dann nicht vorher die afrikanische Bevölkerung komplett mit Strom versorgt sein? Auf den ersten Blick würde ich diese Frage beantworten mit: Na klar, auf jeden Fall.
Andererseits verstehe ich durchaus auch die Argumentation von den Befürwortern solcher Projekte. Der Aufbau von großen Stromanlagen in den betroffenen Ländern wird oft gerade erst dadurch rentabel, dass es Partner in Übersee gibt, die den Strom garantiert abnehmen. Und ob die Menschen vor Ort profitieren, hängt dann stark von der Ausgestaltung der Exportverträge ab.
Euch gefällt der Artikel? Wenn ihr meine Arbeit als unabhängige Journalistin unterstützen wollt, freue ich mich über eine Spende für den nächsten Kaffee. Vielen Dank! Eure Katja
Eure Meinung? Schreibt sie mir!
Eine finale Meinung zum Thema habe ich noch nicht. Ich finde es zunächst vor allem wichtig, solche Debatten zu verfolgen und zu reflektieren. Was meine Recherche auf jeden Fall ergeben hat, ist: In der kurzen Frist werden wir nicht in großem Umfang grüne Energie aus Afrika bekommen. Weder in Form von direkten Stromimporten noch in Form von grünem Wasserstoff.
Langfristig hat der Kontinent aber durchaus das Potenzial, Energie zu liefern. Und viele Länder wie Namibia, Marokko oder auch Ägypten haben daran auch großes Interesse. Das politische Ziel muss es nun also sein, sich zu überlegen, mit welchen Staaten man auf welcher Basis zusammenarbeiten will – und dann möglichst schnell in die Umsetzung zu gehen.
Hinweis: Dieser Text ist zuerst erschienen bei “Europe.Table”, das tägliche Decision Brief rund um die große Transformation Europas. Hier könnt ihr euch zum Newsletter Europe.Table anmelden.
1 Antwort zu “Grüne Energie aus Afrika: Die Alternative zu russischem Öl und Gas?”