Durch die Coronakrise hat das Interesse an Bitcoin, Litecoin & Co. weltweit zugelegt. Befürworter von Kryptowährungen gehen davon aus, dass diese bald eine echte Alternative zur Bargeld darstellen. In afrikanischen Ländern ist das teilweise schon der Fall.
Die Corona-Krise sorgt für Langeweile? Wer das denkt, kann sich überlegen, in Bitcoin zu investieren. Dann ist für mehr Nervenkitzel im Alltag auf jeden Fall gesorgt.
Die Kryptowährung erlebt seit Beginn der Corona-Krise einen echten Höhenflug, allerdings mit zahlreichen Rücksetzern. Vor wenigen Tagen war ein Bitcoin kurzzeitig rund 19.400 Dollar wert – fast vier Mal so viel wie noch Mitte März. Das bisherige Allzeithoch von 19.666 Dollar, das der Bitcoin zuletzt Ende 2017 erreichte, schien zum Greifen nah. Mitte dieser Woche stürzt der Kurs dann aber wieder ab, um etwa 3000 Dollar binnen 24 Stunden.
Bitcoin in Afrika: Mehr als ein Spekulationsobjekt
Für den Bitcoin ist ein solches Auf und Ab nichts Ungewöhnliches. Der Grund dafür ist, dass die Kryptowährung bisher in vielen Teilen der Welt vor allem als Spekulationsobjekt genutzt wird. Das heißt: Viele Menschen kaufen das Kryptogeld nur, weil sie hoffen, dass sie es später gewinnbringend weiterverkaufen können. Steigt der Kurs der digitalen Währung stark an, so wie zuletzt, sehen darin viele Anleger eine Chance. Oft entscheiden sich dann viele Investoren gleichzeitig, ihre Coins weiterzuverkaufen und es folgt ein Kurseinbruch.
Fans der Kryptowährung gehen allerdings davon aus, dass Bitcoins zukünftig auch immer öfter als normales Zahlungsmittel genutzt werden. Geht es nach ihnen, soll das digitale Geld sogar eine echte Alternative zu Bargeld werden. Aus deutscher Sicht klingt das derzeit noch ziemlich abstrakt. Schließlich ist es hierzulande mit wenigen Ausnahmen quasi unmöglich, im Alltag mit Bitcoin zu bezahlen. Dass solche Szenarien aber durchaus denkbar sind, zeigt der Blick nach Afrika. Dort ist das Bezahlen mit Bitcoin und Co. in einigen Ländern schon deutlich normaler.
Bitcoin in Afrika: Südafrika und Nigeria gehen voran
In Südafrika zum Beispiel besitzen immerhin 13 Prozent der Internetnutzer zwischen 16 und 64 Jahren Kryptowährungen. In Nigeria sind es elf Prozent. Das zeigt der Bericht Global Digital Overview 2020. Die Verbreitung von Bitcoins ist damit dort weltweit mit am höchsten. Und in einem aktuellen Bericht, den die Kryptobörse Luno gemeinsam mit Arcane Research veröffentlicht hat, heißt es: “Afrika ist eine der, wenn nicht sogar die vielversprechendste Region für die Einführung von Kryptowährungen.” Das sei auf eine einzigartige Kombination von wirtschaftlichen und demographischen Trends zurückzuführen.
Konkret hat der Erfolg von Bitcoin & Co. in afrikanischen Ländern vier Gründe:
1. Angst vor Inflation
Aktuell in der Coronakrise geben Notenbanken weltweit sehr viel neues Geld heraus. Daher haben manche Menschen Angst vor einer Inflation. Sie befürchten also, dass herkömmliche Währungen an Wert verlieren. In Deutschland ist diese Gefahr derzeit eher gering. Hierzulande liegt die Inflation schon länger sogar unter dem angestrebten Ziel der europäischen Zentralbank von knapp unter zwei Prozent. In afrikanischen Ländern mit instabilen Währungen ist die Angst vor einer Inflation dagegen deutlich akuter. In Nigeria zum Beispiel lag die Inflationsrate im Oktober bei gut 14 Prozent.
Viele Menschen vor Ort suchen daher nach Möglichkeiten, um ihr Geld sicher anzulegen. Klassischerweise kaufen sie dann zum Beispiel Gold. Bitcoin-Fans halten aber auch die Kryptwährung für eine gute Alternative. Die Zahl der Bitcoins, die maximal geschaffen werden kann, ist nämlich per Softwarecode auf 21 Millionen begrenzt. Die Menge an Bitcoins wird also quasi künstlich knapp gehalten. Das soll dafür sorgen, dass die Nachfrage nach Bitcoins langfristig größer bleibt als das Angebot und die Währung nicht an Wert verliert. Schließlich sorgt ein knappes Angebot laut VWL-Lehrbuch für stabile Preise.
In der Praxis klappt das aber natürlich nur, solange es grundsätzlich eine Nachfrage nach Bitcoins gibt. Verlieren die Anleger dagegen das Vertrauen in die Kryptowährung, kann der Kurs der Währung trotzdem binnen kurzer Zeit rapide abstürzen, so wie es in der Vergangenheit öfter passiert ist. Das liegt dann nicht an einer Inflation – das Ergebnis für Anleger ist aber das gleiche.
2. Fehlende Bankautomaten
Bargeld zu haben, ist in Deutschland selbstverständlich. Man geht einfach zum nächsten Bankautomaten oder holt es an der Supermarktkasse. In afrikanischen Ländern geht das nicht so einfach. Ich erinnere mich noch gut, wie wir beim Backpacking in Äthiopien in der Stadt Debark genervt einen funktionierenden Bankautomaten gesucht haben. Der erste war kaputt, beim nächsten war das Geld leer. Und in sehr abgelegenen Gegenden gibt es manchmal auch gar keine Automaten.
Dazu kommt, dass viele Menschen in Afrika kein klassisches Bankkonto haben. In Äthiopien zum Beispiel traf das in 2017 auf circa zwei Drittel aller Erwachsenen zu. Das zeigen Zahlen der Weltbank. Gleichzeitig haben die Menschen aber deutlich mehr Erfahrung mit digitalen Bezahllösungen. Bezahlen per Handy oder Smartphone ist in vielen afrikanischen Ländern ganz normal. Deswegen haben die Menschen auch deutlich weniger Berührungsängste, was neue Bezahlmethoden wie Kryptowährungen angeht, schreibt die Kryptobörse Luno.
Start-ups, die neue Wege zum Bezahlen anbieten, erleben in Afrika schon länger einen Aufschwung. Warum vor allem Nigeria als Fintech-Hotspot gilt, habe ich hier aufgeschrieben.
3. Viele Auslandsüberweisungen
48 Milliarden Dollar: So viel Geld haben Expats und Migranten aus Subsahara im Jahr 2019 in ihre Heimatländer überwiesen. Das zeigen Zahlen der Weltbank. Banken verlangen für solche Auslandsüberweisungen oft hohe Gebühren. Bei Überweisungen per Bitcoin fallen zwar auch Transaktionsgebühren an. Das Geld geht an sogenannte “Miner” – also Leute, die die digitale Infrastruktur für den Handel mit Bitcoin aufrecht erhalten. Im Vergleich zu herkömmlichen Auslandsüberweisungen sind die Gebühren aber oft geringer.
Immer mehr Expats und Migranten steigen daher offenbar bei ihren Rücküberweisungen auf Kryptowährungen um. Das zeigen Zahlen der Datenanalysefirma Chainalysis. “Kryptogeld im Wert von etwa 562 Millionen US-Dollar wurde direkt von Überseeadressen an afrikanische Adressen überwiesen und zwar meist in Kleinbeträgen”, heißt es in dem Bericht. Und: Auch bei Überweisungen zwischen afrikanischen Ländern fallen oft hohe Gebühren. Auch dafür gilt Kryptogeld als Alternative.
4. Eine junge, digitalaffine Bevölkerung
Die Bevölkerung in afrikanischen Ländern ist im Schnitt deutlich jünger als in Europa. Und Umfragen zeigen, dass junge Menschen Kryptowährungen tendenziell offener gegenüberstehen. Auch gelten die Menschen in Afrika im Schnitt als technologieaffin. Berührungsängste mit Bitcoin und Co. scheinen dort also weniger stark verbreitet zu sein.
Bitcoin in Afrika: Es bleiben Hürden
Insgesamt setzt sich die Kryptowährung Bitcoin auf dem afrikanischen Kontinent daher im Alltag schneller durch als in Europa. Dennoch gibt es für die Verbreitung von Bitcoin in Afrika auch Hürden. In vielen Gegenden fallen zum Beispiel öfter einmal Strom und/oder Internet aus. Darüber hinaus gibt es vor Ort eben auch schon viele andere Lösungen zum digitalen Bezahlen. Der Bitcoin und andere Kryptowährungen haben also viel Konkurrenz.
Dazu kommt, dass viele Staaten und Notenbanken den Kryptowährung eher kritisch gegenüberstehen. Denn klar ist: Je mehr Menschen auf unabhängige Kryptowährungen umsteigen, desto größer ist die Gefahr, dass klassische afrikanische Währung an Wert verlieren. Das könnte die Währungen also destabilisieren. In Marokko ist der Handel mit Kryptowährungen daher sogar gesetzlich verboten.
Mehr lesen?
- Mehr zum Aufstieg von Kryptowährungen in Afrika lest ihr bei der Deutschen Welle.
- Warum das Land Nigeria als Vorreiter im Umgang mit Kryptowährungen gilt, berichtet das Portal BitcoinBlog.de.
- Bisher gibt es in Afrika wenig eigene Börsen für den Handel mit Bitcoin und Co. Das Start-up Chipper Cash will das ändern und hat dafür Geld von Amazon bekommen.
- Welche Hürden es für Bitcoin in Afrika derzeit noch gibt, lest ihr hier.
- Der Deutschlandfunk hat vor einiger Zeit Golix, Simbabwes erste Kryptobörse, vorgestellt.
Das Start-up Paystack aus Nigeria wurde kürzlich für rund 200 Millionen Dollar an ein US-Unternehmen verkauft. Ein Erfolg für die gesamte afrikanische Start-up-Szene.
Eine sehr informative, solide und gut recherchierte Analyse, warum es in Afrika einen Anwendungsfall gibt. Ich habe es sehr genossen, auch wenn Deutsch nicht meine Muttersprache ist!
Vielen Dank für deine Nachricht, Robert – so startet man gerne in den Tag! 🙂