Afrikas Schulden: Warum die Zinswende für viele Staaten ein Problem ist

Viele Länder in Afrika stehen durch die Zinswende der internationalen Notenbanken vor großen Herausforderungen. Die gestiegenen Kreditkosten sind für sie kaum noch zu stemmen. Und die Verhandlungen über Schuldenerlasse gestalten sich schwierig.

„Finanzkrise wegen China-Krediten in Afrika droht”: Das meldeten die Online-Ausgaben der ZEIT und der Süddeutschen Zeitung bereits im Mai. Anlass war eine Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Katholikentag. Scholz sagte, er sehe die „ernste Gefahr, dass die nächste große Schuldenkrise des globalen Südens aus Krediten stammt, die China weltweit vergeben hat und selbst nicht ganz überblickt”.

Genau genommen bezog sich Scholz in seiner Aussage nicht allein auf Afrika, sondern allgemein auf den globalen Süden. Und dass allein China an den Schuldenproblemen Schuld ist, stimmt faktisch nicht. Richtig ist aber: Die Staatsschulden in vielen afrikanischen Ländern sind hoch – zu hoch. Das ist Thema bei einem Treffen der G7-Finanzminister mit afrikanischen Amtskollegen am heutigen Mittwoch.

Afrikas Schulden: Das erwartet euch in diesem Text

In diesem Text gebe ich einen Überblick darüber, welche Staaten in Afrika besonders hohe Schulden haben und welche Gründe und Lösungen es für ihre Lage gibt. Diese Recherche habe ich ursprünglich für das hintergründige Policy Briefing Europe.Table umgesetzt. Auf meinem Blog lest ihre eine aktualisierte Version davon.

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Afrikas Schulden: Wie groß sind die Probleme?

Die afrikanischen Staaten mit den höchsten Schulden sind der Sudan, Eritrea, Cap Verde, Libyen, Mosambik und Sambia. Das zeigen Zahlen des Statistikportals Trading Economics. Bei all diesen Ländern ist die Schuldenlast höher als die jährliche Wirtschaftsleistung – ein deutliches Warnsignal an Investoren.

Im African Economic Outlook der Afrikanischen Entwicklungsbank steht, dass im Februar dieses Jahres 23 Länder in Afrika die Zinsen für ihre Schulden nicht oder fast nicht mehr bezahlen konnten. Und das galt allein für die 38 Länder, für die der Bank Daten vorlagen. Eine Bedrohung für das globale Finanzsystem ist das aber nicht. Dafür sind die Summen, um die es geht, nicht groß genug.

Der Anteil der hoch verschuldeten Länder in Afrika ist stark gewachsen (African Economic Outlook 2022).

Sambia hat den Schuldendienst eingestellt

Ein Land, das bereits seit Ende 2020 pleite ist, ist Sambia. Das Land galt damals als erstes “Opfer” der Coronapandemie. Durch die Krise blieben in dem Land wichtige Staatseinnahmen aus. Das ließ die finanzielle Lage kippen.

Das Beispiel Sambia zeigt auch, wie schwierig es für betroffene Staaten ist, Lösungen zu finden. Die sambische Regierung hat im Dezember 2021 ein Hilfsprogramm mit dem internationalen Wirtschaftsfonds IWF vereinbart. Diese Hilfen können aber erst freigegeben werden, wenn sich der IWF mit den Gläubigern des Landes geeinigt hat (dazu später mehr).

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Afrikas Schulden: Welche Rolle spielt China?

Oft liest oder hört man, China treibe den afrikanischen Kontinent in die “Schuldenfalle”. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz bediente dieses Narrativ beim Katholikentag. Das stimmt aber nicht. Es sind vielmehr einzelne Länder, die sehr stark bei chinesischen Staatsbanken verschuldet sind. Dazu zählen zum Beispiel Angola, Kamerun, Sambia und Äthiopien.

In Afrika halten viele ExpertInnen das Narrativ von der chinesischen Schuldenfalle daher für eine Übertreibung. Jim Matsemela von der Collaborative Africa Budget Reform Initiative (CABRI) in Südafrika sagt zum Beispiel: “Die Probleme werden eher von anderen Kreditgebern als China verursacht.” Und auch eine Untersuchung von Forschern der Universität Oxford zeigt: Westliche Gläubiger spielen bei den Schulden des Kontinents ebenfalls eine zentrale Rolle.

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China ist der größte bilaterale Gläubiger für viele Länder mit niedrigem Einkommen. Warum das Land aber nicht ganz Afrika in eine Schuldenfalle treibt, zeigt dieses Video der Nachrichtenagentur Bloomberg.

Afrikas Schulden: Welchen Anteil hat der Westen?

Viele afrikanische Staaten haben sich in den vergangenen Jahren über spezielle Anleihen (sogenannte Eurobonds) Geld von westlichen Privatinvestoren geliehen. Zum Beispiel von Vermögensverwaltern und Investmentbanken. Mitte 2021 hatten afrikanische Staaten Eurobonds in Höhe von 136 Milliarden Dollar ausstehen, schreibt der Ökonom Gregory Smith in seinem Buch “Where Credit is Due”.

Diese Schulden seien zwischen 2011 und 2019 stärker gestiegen als die Auslandsschulden gegenüber chinesischen Gläubigern, sagt auch der Politikwissenschaftler Nicolas Lippolis von der Universität Oxford. Mit ihm habe ich für das Policy Briefing Europe.Table gesprochen.

Gelscheine und Globus mit diesem Text: Mehr als 600 Mrd. USD an Schulden haben die 73 ärmsten Länder der Welt bei ihren Gläubigern insgesamt.
Quelle: Bundesfinanzministerium

Private Gläubiger als Problem

Das Problem mit den Schulden bei privaten Gläubigern ist, dass diese sehr viel schwieriger verhandelbar sind als Schulden bei öffentlichen Institutionen oder bei anderen Staaten. Institutionen wie die Weltbank können zur Not auf einen Teil der Zahlungen verzichten. Ein privater Fonds, der seinen Anlegern eine Rendite zugesichert hat, kann das nicht.

Aus heutiger Sicht mag das Vorgehen der afrikanischen Staaten fahrlässig wirken. Andererseits: In vielen anderen aufstrebenden Staaten außerhalb Afrikas gab es die gleiche Dynamik. Vor der Coronapandemie hatten viele der Staaten sehr gute Wachstumsprognosen. Die Zinsen waren niedrig und Schocks wie Covid-19 oder der Krieg in der Ukraine nicht absehbar. Dass viele der Eurobonds gerade jetzt fällig werden, ist für alle Beteiligten außerdem schlechtes Timing.

Afrikas Schulden: Welche Lösungen gibt es?

Auf internationaler Ebene gibt es seit Beginn der Coronapandemie Diskussionen darüber, wie man die hoch verschuldeten Staaten in Afrika und anderen Kontinenten entlasten kann. Im Mai 2020 starteten die G20-Staaten die sogenannte Debt Service Suspension Initiative (DSSI). Dadurch wurden bis Dezember 2021 für 48 Länder Schuldendienste in Höhe von knapp 13 Milliarden US-Dollar ausgesetzt, schreibt die Weltbank.

Inzwischen gibt es ein Nachfolgeprogramm mit dem sperrigen Namen Common Framework for Debt Treatments beyond the DSSI. Es soll Ländern die Möglichkeit geben, individuelle Schuldensenkungen mit ihren Gläubigern auszuhandeln. Doch die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Wohl auch, weil der Prozess nicht gerade einfach ist. Das zeigt diese Grafik des Bundesfinanzministeriums:

Schuldenstrategie „Common Framework“

Afrikanischer Ökonom fordert innenpolitische Reformen

Bisher haben gibt es nur drei Länder, die das Common Framework nutzen. Das sind Äthiopien, der Tschad und Sambia. Ein Problem sei, dass sich der Westen und China in der Initiative nicht einig seien, sagt der Politikwissenschaftler Nicolas Lippolis von der Universität Oxford. Es sorge für Kritik, dass das Common Framework den Verfahren des “Pariser Clubs” folge, also einem Bündnis primär westlicher Gläubiger.

Abgesehen davon gibt es auch auf dem afrikanischen Kontinent Initiativen, um die Schuldenprobleme zu mindern. Der Ökonom Jim Matsemela von der Collaborative Africa Budget Reform Initiative CABRI sagt: “Die Staaten müssen freiwillige Strukturreformen beschleunigen und die Transparenz ihrer Haushalts- und Schuldenpolitik verbessern, damit internationale Investoren weiterhin Vertrauen haben.“ CABRI bietet den Staaten eine Austauschplattform, um gemeinsam über Reformansätze zu diskutieren.


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