Die Digitalisierung in Afrika gilt als große Chance: Sie soll Wachstum und Wohlstand bringen. Dazu müssen aber die Rahmenbedingungen stimmen, sagt Rob Floyd vom panafrikanischen Think Tank African Center for Economic Transformation. Im Interview erklärt er, was wichtig ist.
Rob Floyd ist Direktor für Innovation und digitale Politik am African Center for Economic Transformation (ACET). Zuvor war der Ökonom lange in leitenden Positionen für die Weltbank tätig.
Wirtschaft in Afrika (WiA): Die Digitalisierung gilt als große Chance für Afrika. Warum?
Rob Floyd: Die International Telecommunication Union hat vorgerechnet, dass ein Anstieg der mobilen Breitbandverbreitung in Afrika um zehn Prozent die Wirtschaftsleistung pro Kopf um rund 2,5 Prozent erhöhen würde. Viele Branchen wie die Landwirtschaft, das Finanzwesen und der Gesundheitssektor profitieren stark von digitale Lösungen. Aber der Aufschwung ist nicht garantiert. Der Erfolg hängt stark von nationalen und panafrikanischen Maßnahmen ab.
WiA: Was ist entscheidend?
Floyd: Die Afrikanische Union muss einen digitalen Binnenmarkt auf dem Kontinent etablieren – also einen einfachen und schnellen Austausch von Daten und Zahlungen über alle Länder hinweg ermöglichen. So lautet ein Ziel der AU bis zum Jahr 2030. Das würde die nationalen Volkswirtschaften und den grenzüberschreitenden Handel stärken. Unternehmen aus afrikanischen Ländern könnten so deutlich einfacher miteinander ins Geschäft kommen. Und afrikaweit tätige Großunternehmen könnten besser die Firmendaten zwischen einzelnen Standorten austauschen. Aber die Verhandlungen über den digitalen Binnenmarkt sind langwierig.
WiA: Woran hakt es?
Floyd: Die Länder müssen ihre Zahlungssysteme und Datenschutzregeln angleichen und sich auf Standards beim Datenaustausch einigen. Zum Vergleich: Die EU hat viele Jahre gebraucht, um einen digitalen Binnenmarkt in Europa auf den Weg zu bringen. Und in Europa gibt es weniger als 30 Länder, während es in Afrika mehr als 50 sind. Dazu kommt, dass afrikanische Staaten erschwerte Startbedingungen haben. Viele Regierungen beschäftigen sich erstmalig mit Themen wie dem Datenschutz. Sie müssen also erst einmal Fachwissen und Kapazitäten aufbauen.
Digitalisierung in Afrika: Noch fehlt die Infrastruktur
WiA: Dazu kommt, dass in vielen Regionen auf dem Kontinent das Internet schlecht ausgebaut ist. Welche Maßnahmen braucht es da?
Floyd: Die Afrikanische Union hat schon im Jahr 2020 eine Digitalisierungsstrategie auf den Weg gebracht und den Ausbau der Internet-Infrastruktur als zentrales Ziel identifiziert. Allerdings ist die Verlegung von Untersee-Kabeln und der Bau von Rechenzentren und Mobilfunkmasten teuer. Und Investoren wie Telekommunikations- und Internetkonzerne investieren nur, wenn sie Gewinnpotential sehen.
WiA: Aber das gibt es ja. Der Bedarf ist riesig.
Floyd: Stimmt. Aber das allgemeine Umfeld für Investitionen spielt eine große Rolle. Es braucht eine verlässliche Landbesitzpolitik, angemessen kapitalisierte Banken und stabile lokale politische Systeme. Viele Staaten wie Marokko, Ruanda, Kenia, Ghana und Côte d’Ivoire haben die Rahmenbedingungen für Investoren zuletzt deutlich verbessert, auch dank der internationalen Zusammenarbeit im Rahmen der G20-Initiative “Compact with Africa” (CWA), die von Deutschland vorangetrieben wird. Aber in vielen anderen Ländern bleibt Nachholbedarf.
Digitalisierung: Bisher profitiert vor allem die Mittelschicht
WiA: Der Internetzugang fehlt vor allem in ländlichen Regionen. Braucht es da spezielle Maßnahmen?
Floyd: Ja. Der Zugang zu digitalen Angeboten auf dem Kontinent ist sehr ungleich. Die aufstrebende Mittelschicht profitiert stark von den vielen neuen E-Commerce- und Online-Bezahl-Angeboten. Gleichzeitig hatten Ende 2021 insgesamt nur 22 Prozent der Menschen in Subsahara-Afrika überhaupt Zugang zum Internet. Das zeigen Daten der internationalen Mobilfunkanbieter-Vereinigung GSMA. Und 40 Prozent der Menschen leben unter dem Armutslevel. Sie können sich schon allein die hohen Mobilfunkgebühren, die viele afrikanische Telekommunikationsanbieter verlangen, nicht leisten.
WiA: Was lässt sich dagegen machen?
Floyd: Ein wichtiger Schritt, um die Internetverfügbarkeit in abgelegenen Gegenden zu verbessern, sind Subventionen. Afrikanische Regierungen müssen Mobilfunkanbietern Subventionen zahlen, damit sich der Internetausbau bis zur letzten Meile für die Unternehmen rechnet. Einige Länder erhalten dafür Finanzmittel von Entwicklungsbanken wie der Weltbank oder der Afrikanischen Entwicklungsbank. Darüber hinaus müssen die Regierungen mehr Wettbewerb im Telekommunikationssektor zulassen, damit die Nutzungsgebühren sinken. Und die westliche Entwicklungshilfe sollte noch stärker den Austausch von digitalem Knowhow mit Afrika fördern. Die EU macht das im Rahmen ihrer Initiative „Digital4Development Hub“. Solche Ansätze braucht es mehr.