Die Autoindustrie in Afrika: Ein schlafender Riese

Automobilindustrie Afrika

Die Autoindustrie in Afrika ist klein – noch. Branchenexperten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Neuwagen auf dem Kontinent wachsen wird. Wie deutsche Autobauer wie Volkswagen profitieren und welche Hürden es noch gibt, lest ihr im Interview mit dem Verband der Automobilindustrie.

Kürzlich habe ich für das Magazin t3n über die Automobilindustrie in Afrika berichtet und dafür mit Victoria Backhaus-Jerling vom Verband der Automobilindustrie (VDA) gesprochen. Sie leitet das VDA-Projektbüro in Südafrika und arbeitet mit der African Association of Automotive Manufacturers zusammen. Hier lest ihr, welche Trends sie im afrikanischen Automarkt für wichtig hält. (Foto: LinkedIn)

Wirtschaft in Afrika (WiA): Frau Backhaus-Jerling, bisher werden auf dem afrikanischen Kontinent vor allem Gebrauchtwagen gefahren. Wie wichtig ist der Kontinent für die deutsche Automobilindustrie?

Victoria Backhaus-Jerling: Der Kontinent gewinnt klar an Bedeutung, für die Produktion vor Ort, genauso wie als Absatzmarkt. Aktuell kommen in Afrika 42 Fahrzeuge auf 1000 Einwohner. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 182 Fahrzeugen. Das zeigt das große Wachstumspotential. Unser panafrikanischer Partnerverband, die African Association of Automotive Manufacturers (AAAM), schätzt, dass mit den richtigen Rahmenbedingungen im Jahr 2035 in Afrika rund fünf Millionen Neufahrzeuge pro Jahr verkauft werden können. Aktuell sind es 1,1 Millionen Neufahrzeuge pro Jahr.

WiA: Welche Länder stehen im Fokus?

Backhaus-Jerling: Im Jahr 2021 wurden in Afrika insgesamt gut 830 000 Neuwagen verkauft. Davon entfielen rund 300 000 auf Südafrika, gut 200 000 auf Ägypten und rund 150 000 auf Marokko. Das sind mit Abstand die größten Märkte. Spannend ist außerdem die Entwicklung in Westafrika. In Ghana entsteht das erste Automobilcluster in der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS. Dort gibt es Werke von deutschen und asiatischen Autoherstellern, in denen vorgefertigte Komponenten zu fertigen Fahrzeugen montiert werden.

Der Autobauer Volkswagen montiert unter anderem den T-Cross in Ghana (Foto: Unternehmen). Thomas Schaefer, der damalige Leiter der Volkswagen Sub-Sahara-Region, und Alan Kyerenmaten, Minister für Handel und Industrie in Ghana, unterzeichneten 2018 eine entsprechende Absichtserklärung, siehe Titelfoto.

Automobilindustrie in Afrika: Das sind die größten Hürden

WiA: In welchen afrikanischen Ländern sind deutsche Autobauer sonst vertreten?

Backhaus-Jerling: In Südafrika und Ruanda. Deutsche Zulieferer produzieren unter anderem in Südafrika, Marokko, Tunesien, Algerien und Ägypten. Die Komponenten, die in Nordafrika hergestellt werden, gehen überwiegend in die Werke nach Europa, im südlichen Afrika gehen die Komponenten überwiegend in die Werke in Südafrika.

WiA: Was sind die größten Hürden für die Automobilindustrie in Afrika?

Backhaus-Jerling: Afrika ist ein sehr diverser Kontinent mit fragmentierten Regionen. Und derzeit fehlen die Rahmenbedingungen für einen freien und fairen panafrikanischen Handel. Das Afrikanische Freihandelsabkommen, das vor zwei Jahren verabschiedet wurde, kann das ändern. Die 54 Länder, die das Abkommen unterzeichnet haben, wollen innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre neunzig Prozent der Zölle im Warenhandel abschaffen. Das würde auch der Automobilindustrie helfen. Der Kontinent würde dadurch als Produktions- und Absatzmarkt noch deutlich attraktiver.

WiA: Welche Herausforderung gibt es noch?

Backhaus-Jerling: Aktuell müssen afrikanische Verbraucherinnen und Verbraucher für Neuwagenkredite sehr hohe Zinsen zahlen. In den meisten Ländern sind es circa zwanzig Prozent. Das können sich die wenigsten leisten. Gemeinsam mit unserem Partnerverband AAAM und unseren Mitgliedsunternehmen haben wir eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Wir suchen gemeinsam mit afrikanischen Banken und Regierungen in Ländern wie Ghana nach Lösungen, um die Zinsen zu senken.

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Die Pan African Auto Pact Vision: Hier beschreibt der AAAM seine Vision für Afrikas Autoindustrie.

So sollen Konsumentenkredite günstiger werden

WiA: Hohe Kreditzinsen sind allgemein ein Problem in Afrika. Welche Lösungen gibt es?

Backhaus-Jerling: Ein Grund für die hohen Kreditzinsen ist, dass in vielen afrikanischen Ländern vollständige Melderegister fehlen. Dadurch kann es für Banken unter anderem schwierig werden, Kreditnehmer wiederzufinden, falls diese umziehen. Eine Überlegung ist, Arbeitgeber – also Unternehmen – in die Vergabe von Neuwagenkrediten miteinzubeziehen. Dadurch hätten Banken zuverlässige Ansprechpartner.

WiA: Wie schafft man es, dass internationale Autohersteller Afrika nicht nur als Absatzmarkt nutzen, sondern dass vor Ort Arbeitsplätze und Knowhow entstehen?

Backhaus-Jerling: Für uns ist klar: Afrika ist nicht nur Absatzmarkt, sondern auch Produktionsstandort. Die Automobilindustrie kann und will zu einer nachhaltigen Industrialisierung des Kontinents beitragen und bleibende Arbeitsplätze schaffen. Damit sich noch mehr Autohersteller und Zulieferer vor Ort ansiedeln, müssen die Rahmenbedingungen noch besser werden. Über das Afrikanische Freihandelsabkommen haben wir schon gesprochen. Manche Länder bieten außerdem Steuervorteile für Autohersteller, die lokal produzieren, und verschärfen die Regeln für Gebrauchtwagenimporte. Auch das kann helfen. Kenia, Ägypten und Ghana führen derzeit solche Regeln ein.

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Ghana hat den Import sehr alter Gebrauchtwagen verboten. Daran gab es auch Kritik.

Automobilindustrie in Afrika: So wichtig werden E-Antriebe

WiA: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die E-Mobilität in Afrika?

Backhaus-Jerling: Bisher gibt es nur sehr wenige E-Autos auf dem Kontinent. Es fehlt eine entsprechende Energieversorgung und Infrastruktur in den meisten Ländern. Gleichzeitig gilt: Wir sehen eine wachsende Zahl an elektrischen Motorrädern, vor allem in Ostafrika. Unser Partnerverband AAAM sieht den Umstieg vom Verbrennungsmotor hinzu alternativen Antrieben tatsächlich auch zuallererst in diesem Segment.

E-mobilität in Kenia

Mehrere Startups in Ostafrika bauen selbst designte E-Motorräder. Einer der Vorreiter ist Roam aus Kenia. Wie sich das Unternehmen von der Konkurrenz absetzt, lest ihr hier.

WiA: Aber das ist doch schlecht fürs Klima, wenn in Afrika jetzt auch noch viele neue Verbrenner auf die Straße kommen.

Backhaus-Jerling: Stimmt. Aber wir können nicht erwarten, dass in Afrika alle nur E-Autos kaufen, wenn das in Europa auch nicht gemacht wird. Afrika hat die Chance, schneller umzusteigen, weil man den Bau von E-Modellen bei neuen Werke direkt mitplanen kann. Entscheidend ist aber eine realistische Bestandsaufnahme auf Basis von Studien, die zeigen: In welchen Ländern ist welcher Antrieb am besten umsetzbar? Wir erstellen derzeit eine solche Studie für Ägypten, gemeinsam mit dem AAAM, unseren Mitgliedsunternehmen und der GIZ. Dabei analysieren wir Faktoren wie die vorhandene Sonnen- und Windenergie, die vorhandenen Rohstoffe und die Infrastruktur vor Ort.

WiA: Stichwort Rohstoffe: Da wird Afrika auch als Handelspartner immer wichtiger…

Backhaus-Jerling: Absolut. Ein Großteil der Rohstoffe für Halbleiter und Batterien für die E-Autos kommt aus Afrika. Bisher werden diese Rohstoffe größtenteils in asiatische Länder exportiert und dort weiterverarbeitet. Das hat in der Coronapandemie aber zu erheblichen Störungen der Lieferketten geführt. Afrikanische Länder werden darauf hinarbeiten, Teile der Weiterverarbeitung im eigenen Land zu lassen. Deutschland kann das durch entsprechende Handels- und Rohstoffpartnerschaften sowie Investitionen vor Ort fördern.

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1 Antwort zu “Die Autoindustrie in Afrika: Ein schlafender Riese”

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