Kenia hat einen neuen Tiefseehafen eröffnet: Lamu Port. Die Regierung will das Land zum wichtigsten Logistikhub in Ostafrika machen. Kritiker dagegen halten die Pläne für überdimensioniert: Sie bezweifeln, dass sich der teure Bau lohnen wird.
Die Insel Lamu im Südosten von Kenia ist normalerweise ein ruhiges Örtchen. Rund 15 000 Einwohner leben dort in der Inselhauptstadt Lamu Town. Deren enge, verwinkelte Gassen sind UNESCO-Weltkulturerbe und gelten als die älteste und am besten erhaltene Suaheli-Siedlung in ganz Ostafrika. Weil die Insel so gut wie autofrei ist, trotten dort vor allem Esel durch die Straßen. Und da die Anreise nach Lamu per Bus aufwändig und nicht ungefährlich ist, locken die einsamen, weißen Strände der Insel bisher auch verhältnismäßig wenige Touristen an.
Vor wenigen Tagen stand die kleine Insel dennoch im Rampenlicht der Öffentlichkeit. Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta eröffnete dort Kenias zweiten Tiefseehafen, Lamu Port – eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte des Landes. “Heute wird ein neues Kapitel in der Entwicklung und Transformation von Lamu aufgeschlagen”, sagte Kenyatta bei der Eröffnungszeremonie. Der Bau sei “ein wichtiger Meilenstein“. Der neue Hafen soll dazu beitragen, dass Kenia bis zum Jahr 2030 ein Industrieland mit mittlerem Einkommen wird. Dazu soll der neue Hafen einerseits den abgelegenen Norden des Landes stärken und andererseits Kenia enger mit seinen nördlichen Nachbarstaaten vernetzen.
Lamu Port in Kenia: der zweite Tiefseehafen des Landes
Gestartet wurden die Arbeiten am Großprojekt Lamu Port im Jahr 2012. Die Pläne dafür entwarfen die Staatschefs von Kenia, Äthiopien und dem Südsudan gemeinsam. Sie nahmen sich vor, in Lamu binnen 16 Jahren für insgesamt drei Milliarden Dollar 32 Liegeplätze für Containerschiffe aufzubauen. 24 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr sollen dadurch perspektivisch abgewickelt werden. Die ersten drei Liegeplätze sind nun fertig. Sie wurden mithilfe der China Communications Construction Company erbaut. Vor wenigen Tagen liefen die ersten beiden Schiffe ein und wurden von Präsident Uhuru Kenyatta feierlich in Empfang genommen. Ausschnitte aus der Zeremonie zeigt dieses Video des Fernsehsenders Kenya Citizen TV:
Regulär starten soll der Hafenbetrieb in Lamu Port Mitte Juni. Noch fehlt es dafür an Ausrüstung, zum Beispiel an Kränen. Diese wurden nun kurzerhand aus Mombasa ausgeliehen. Das berichtet das Portal Business Daily Africa. Mombasa ist der bisher wichtigste Hafen in Kenia – der nun harte Konkurrenz bekommt. In Port Lamu können nämlich deutlich größere Schiffe anlegen. 17,5 Meter tief ist die Fahrrinne, 400 Meter lang sind die Liegeplätze. Der Hafen in Lamu soll dadurch nicht nur zum wichtigsten Handelsplatz für Kenia werden, sondern auch zur zentralen Drehscheibe für ganz Ostafrika.
Lamu Port als Logistikhub: Noch gibt es Hürden
Die Regierungen von Kenia, Äthiopien und dem Südsudan haben dafür die sogenannte Lamu Port South Sudan-Ethiopia Transport-Initiative gestartet, kurz LAPSSET. Die Initiative sieht vor, neben dem neuen Hafen auch eine ganze Reihe an neuen Autobahnen, Eisenbahntrassen, Industriezonen und Öl-Pipelines aufzubauen. Dadurch sollen in Lamu vor Ort, aber auch im Hinterland zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen, verspricht die kenianische Hafenbehörde: “Es wird erwartet, dass der Hafen von Lamu einen Teil der Fracht anziehen wird, die traditionell über die Häfen von Sudan, Dschibuti und Mombasa läuft.” Befürworter des Projekts vergleichen die Bedeutung von Lamu Port in Kenia bereits mit dem Hafen Durban in Südafrika, dem derzeit wichtigsten Seehandelsplatz südlich der Sahara.
Das Land Südafrika gilt im Bereich Logistik als Vorreiter auf dem afrikanischen Kontinent. Welche Faktoren neben dem Hafen von Durban dazu beitragen, lest ihr in diesem Blogartikel.
Kritiker dagegen verweisen auf zahlreiche Hürden. So zeigt eine Studie von Jan Bachmann und Benard Musembi Kilaka von der schwedischen Göteborg Universität, dass viele der ambitionierten Pläne von LAPSSET bisher nur auf dem Papier existieren. Neben dem Hafen in Lamu sei bisher vor allem der Bau einer Fernstraße zwischen Isiolo und Moyale als Erfolg zu werten, schreiben die Autoren in einem Beitrag für The Conversation. Der Bau einer geplanten Ölpipeline zwischen Lokichar und Lamu dagegen kommt Medienberichten zufolge nur langsam voran. Das ist für den Lamu Port ein Problem, denn der Handel mit Öl ist für die Auslastung des Hafens einkalkuliert. Stockt der Bau der Pipeline, könnten dort Terminals leer bleiben.
Lamu Port in Kenia: politische Unsicherheit als Hindernis
Eine weitere Herausforderung für den neuen Hafen ist, dass Kenias Partner schwächeln. Das Land Äthiopien hat sich inzwischen am Berbera Hafen in Somaliland beteiligt und wickelt außerdem mehr und mehr Geschäft über Djibouti ab. Es scheint, als habe sich das strategische Interesse der äthiopischen Regierung gewandelt. Und im Südsudan ist die politische Lage insgesamt instabil. Selbst im Norden Kenias kam es zuletzt immer wieder zu Angriffen durch die somalische, islamistische Terrorgruppe al-Shabaab. Für das neue Großprojekt in Lamu sind all das schwierige Voraussetzungen: Schafft es der Hafen nicht, auch internationales Geschäft anzuziehen, dürften sich die hohen Investitionen in den Bau kaum lohnen.
Umstritten ist außerdem, wie viel der Hafen der lokalen Bevölkerung vor Ort bringt. Die NGO Natural Justice kritisiert, dass die kenianische Regierung den Anwohnern für den Bau Land weggenommen und sich nicht um eine angemessene Entschädigung gekümmert habe. Ähnlich geht es nach Angaben der Wissenschaftler Bachmann und Kilaka auch den lokalen Fischern. Deren Fischgründe sind durch den neuen Hafen kleiner geworden. Ob Lamu Port darüber hinaus tatsächlich so viele Arbeitsplätze bringt, wie versprochen, bezweifeln die Forscher. Bisher hätten gerade einmal rund hundert Jugendliche aus Lamu dort Arbeit gefunden, schreiben sie.
Lamu Port in Kenia: tatsächlicher Nutzen noch unklar
Der Nutzen des neuen Hafens in Lamu ist daher insgesamt umstritten. “Der Hafen von Lamu läuft Gefahr, ein weißer Elefant zu werden, weil ich nicht weiß, wer ihn ab Juni nutzen wird”, sagt Wycliffe Wanda, der Geschäftsführer der Kenya International Freight and Warehousing Association, im Fachportal Maritime Executive. “Es gibt viele Faktoren, die gegen seine Lebensfähigkeit sprechen, und wenn Kenia nicht mit Äthiopien verhandelt, wird die Anlage ihren Zweck nicht erfüllen.” Der Kolumnist Jaindi Kisera von Business Daily Africa dagegen ist anderer Meinung. Es sei die Regel, dass der tatsächliche Nutzen von großen Infrastrukturprojekten anfangs unklar sei, schreibt er: “Dennoch, wenn wir den Verladern gut durchdachte Anreize geben können, sich für den Hafen Lamu zu entscheiden […], sehe ich den Hafen als Katalysator für die Erschließung großer Teile von Kenias vernachlässigten Regionen in Nordkenia.”
Sicher ist: Soll der neue Tiefseehafen in Lamu seine Rolle als künftiger Logistikhub erfüllen, muss der Ausbau der Straßen und Schienen in der Region Schritt halten. Die kenianische Regierung will in den kommenden Wochen bei Nachbarländern für ihren neuen Hafen werben und Reedereien mit großzügigen Verladefristen und niedrigen Gebühren anlocken. Darüber hinaus sucht sie Investoren, die den weiteren Ausbau des Hafens mittragen.
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- Als Logistik-Vorreiter auf dem Kontinent gilt allerdings Südafrika. Warum, habe ich in diesem Artikel aufgeschrieben.
Vielen Dank für den Artikel! Ich bin aktuell dabei, mich über den Containertransport nach Kenia zu informieren. Da ich in der Nähe von Lamu wohne, ist es gut zu wissen, dass es in dem Hafen dort auch Liegeplätze für Containerschiffe gibt. Ich muss jetzt nur noch herausfinden, welche Firmen dort aktiv sind.
Hallo Melanie,
es freut mich sehr, wenn ich mit meiner Recherche etwas helfen konnte! Vielen Dank für das Interesse an meinem Blog und viele Grüße nach Lamu,
Katja